Seite:Ein verlorener Posten 69.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Berufe das Größte zu leisten und eine That zu verrichten, die jedes pflichttreuen Feuerwehrmanns höchster Ehrgeiz ist — der beiderseitige Dank hebt sich also vollständig, und meine erste Bitte an Sie ist, jene Nacht gar nicht zu erwähnen. Plaudern wir lieber so ein wenig — Sie sehen, Ihre Tante und meine gute Frau Meiling sind bereits in einem Austausch von wichtigen Mitteilungen und pikanten Geheimnissen begriffen."

Das junge Mädchen sah ihn erstaunt an — seine ganze Art und namentlich der Ton seiner Stimme flößten ihr Vertrauen ein. Sie taute bald auf, und als die beiden Alten unsichtbar wurden (Frau Meiling wünschte der Tante der „kleinen Anna" Wolfgangs Zimmer zu zeigen, das für sie der Inbegriff aller Merkwürdigkeit war), ging er mit so viel Geschick und Humor auf die kleinen Leiden und Freuden ihres Mädchenlebens ein und fragte ihr mit so viel Gewandtheit und Teilnahme ihre einfache Geschichte ab, daß sie endlich gar nicht umhin konnte, die beiden Alfrede zu erwähnen; sie schlug dabei mit einer heroischen Anstrengung die Augen ernsthaft zu ihrem Retter auf, von dem sie ja ganz gut wußte, daß er mit den beiden genau bekannt war und öfter mit ihnen verkehrte, und Wolfgang las in diesem klaren, standhaften Blick, daß das arme Kind zunächst ganz arglos und ahnungslos einen Pfad verfolgte, dessen Gefahren sie nicht kannte und der doch, mehr und mehr sich verengend, immer steiler, zerrissener und schlüpfriger wurde, bis ein plötzliches Straucheln und Ausgleiten fast unvermeidlich ward. Wolfgang sah ein, daß er nicht behutsam und schonend genug zu Werke gehen könne, und als er die Frage hinwarf, ob sie wohl schon einmal versucht habe, sich ein Bild von ihrer Zukunft zu entwerfen, aus dem sie sich die beiden jungen Männer ja doch hinwegdenken müsse, da erriet sie sofort seine Absicht und in einer beinahe ängstlichen, aber auch entschlossenen Spannung hefteten sich ihre Augen auf sein Gesicht — sie mußte jetzt vor allem Gewißheit darüber erlangen, ob Wolfgang auf eigene Faust oder im Einverständnis mit den beiden jungen Männern und vielleicht sogar in ihrem Auftrage handle, und als er sie aufforderte, ihn auf seinem Spaziergang zu begleiten (ihre Tante und Frau Meiling würden sich gewiß anschließen), da erklärte sie sich fast heftig bereit dazu.

Man ging gemeinsam bis zu einem einsamen Wirtshaus am Waldsaume, wo die beiden Alten sich bei der Kaffeekanne festsetzten, während die beiden jungen Leute in den Wald wanderten. Sie kamen erst spät zurück, und es war kein Zweifel darüber möglich, daß die Anna verweinte Augen hatte; dennoch war sie gefaßt und ruhig — es war, als sei sie in den paar Stunden um ebenso viele Jahre älter geworden. Wolfgang hätte ihr im Tone eines Freundes auseinandergesetzt, daß das momentan ganz schöne, schuldlose und beglückende Verhältnis zu den beiden jungen Männern unmöglich von Dauer sein könne, er hatte ihrer Naivetät das Geständnis abgelockt, daß sie jetzt schon halb eifersüchtig auf beide sei, und sie war sehr nachdenklich geworden, als Wolfgang sie plötzlich fragte, welchen Eindruck es auf sie machen würde, wenn sie

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_69.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)