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durch ein direktes Wort oder auch nur eine Andeutung an denselben zu mahnen und er wich dem Bürgermeister, der an anerkennende Aeußerungen über den Zustand der Freiwilligenabteilung und ihrer Geräte sofort eine Unterhaltung über jene „heroische That“ knüpfen wollte, mit so vielem Geschick aus, daß jener zuletzt gezwungen war, Wolfgang ganz direkt zu erklären, daß er den von ihm eingereichten Bericht über das letzte Schadenfeuer mangelhaft finde: der Rettung des jungen Mädchens, die doch mit eigener Lebensgefahr erfolgt sei, sei so flüchtig und beiläufig gedacht, daß ein Uneingeweihter sie notwendig für ganz ungefährlich halten müsse. Er gebe ja zu, daß Wolfgang nicht gut für sich selber eine Auszeichnung habe beantragen können, und dieser Zug von Bescheidenheit und Takt mache ihm alle Ehre, aber Wolfgang habe sogar die Verpflichtung, wenigstens für den Steiger, der ihm behilflich gewesen sei, eine Auszeichnung zu beantragen, und wenn er daneben sein eigenes Verdienst nur wahrheitsgemäß hervorhebe, so werde amtlicherseits schon das Nötige veranlaßt — jedenfalls bedürfe man aber der Grundlage eines Rapports von seiten des Kommandos und er werde sich also erlauben, Wolfgang seinen Bericht wieder zuzusenden, damit er denselben entsprechend ändere. Der gute Mann war sehr betreten, als Wolfgang jede Aenderung des Rapports ablehnte, und daß er sich bemühte, dies in der verbindlichsten und liebenswürdigsten Form und unter Zuhilfenahme eines Scherzes zu thun, konnte über die Festigkeit seines Entschlusses und darüber, daß hier eine principielle Abneigung maßgebend war, nicht täuschen. Wolfgang mußte zuletzt direkt erklären, daß der Herr Bürgermeister ihn zu aufrichtigem Danke verpflichte, wenn er jenes Vorkommnis offiziell ignoriere, da er ihn dadurch der unangenehmen Notwendigkeit überhebe, eine Medaille abzulehnen, deren Annahme ihm seine Ueberzeugungen nicht gestatteten; es liege ihm nichts daran, der Regierung einen „Affront“ zuzufügen, und der Herr Bürgermeister werde nicht durch seine Hartnäckigkeit die Veranlassung sein wollen, daß der Regierung eine solche Beleidigung zugefügt werde, die ja immerhin Staub aufwirbeln würde. Der Bürgermeister, dessen Gesicht die lächelnde Gönnermiene längst eingebüßt und einen gekniffenen und befremdeten Ausdruck angenommen hatte, der mit dem eigentümlich kühlen Ton der Stimme harmonierte, erklärte, daß er wenigstens für den mitbeteiligten Steiger eine Belohnung beantragen müsse — der Mann habe, fügte er mit ziemlich scharfer Betonung hinzu, jedenfalls Ansichten, die sich eher mit den Institutionen eines monarchischen Staats in Einklang bringen ließen. Wolfgang lächelte über den Seitenhieb, der ihn nicht zu verwunden vermochte, und erwiderte, daß er selbstverständlich nicht beabsichtigt habe, den Steiger Krone (diesen Namen hatte der Bürgermeister freilich nicht erwartet) zu vergewaltigen, er habe jedoch guten Grund zu der Annahme, daß jener seine Anschauungen teile und werde ihm auf der Stelle Gelegenheit geben, sich hierüber auszusprechen. Auf seinen Ruf: „Steiger Krone, vor!“ trat dieser in einer Haltung aus dem Gliede, die das Produkt eines Kompromisses

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_66.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)