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lebhaft bei, als er es für das nach seiner Meinung Zweckdienlichste erkläre, wenn das junge Mädchen von dem Orte entfernt werde, der ihr so häufig Gelegenheit bot, mit den beiden jungen Männern zusammenzukommen. Dann aber richtete sich der Verwundete, den verbundenen Kopf mit dem Arme stützend, in den Kissen empor und sagte lächelnd und herzlich:

„Aber das genügt mir alles noch nicht; wissen Sie denn wirklich nichts, was ich als einen Ihnen geleisteten Dienst anzusehen vermöchte? Wollen Sie mir diese Freude nicht machen?“

Das klang so herzlich und aufrichtig, daß Krone sich nicht länger halten konnte, sondern mit einer ziemlich gewaltsamen Anstrengung die Worte hervorstieß:

„Ja, ich wüßte wohl etwas — Sie könnten mir sogar eine große Freude machen, aber ich weiß nicht, ob ich gerade das von Ihnen verlangen darf.“

„Also doch! aber nur immer heraus damit — ich bin doch neugierig, ob der kreißende Berg nicht am Ende wieder ein Mäuschen zu Tage fördert.“

„Sie irren sich, aber Sie sollen wahrhaftig nicht an Ihr Versprechen gebunden sein und können immer noch zurücktreten, wenn Sie erst wissen, um was es sich handelt. Wir haben hier in unserem Neste seit vielen Jahren einen Bildungsverein — nach Schultze-Delitzschschem Muster —, es hatte sich aber keine Katze um denselben gekümmert, so daß er eigentlich so gut wie tot war, als der Kulturkampf losging. Wir haben ja hier eine ziemlich gleichmäßig aus Katholiken und Protestanten gemischte Bevölkerung und die armen, dummen Teufel gingen hüben wie drüben auf Kommando scharf ins Zeug und echauffierten sich, als ginge ihnen die Katzbalgerei zwischen Gendarm und Kaplan selber ans Leben; einem vernünftigen Menschen, der weder nach Himmel und Hölle fragt und dem die Krausenträger höchstens noch etwas mehr zuwider sind als die Herren im Chorhemd und Stola, konnte sich das Herz im Leibe dabei umdrehen. Die Schwarzen sind immer die Klügeren und Praktischen — sie machten in aller Stille mobil und in ihrem Gesellenverein war schon lange ganz munter gehetzt worden, ehe man endlich Wind davon bekam. Nun steckte alles, was reichstreu war und studiert hatte, die Köpfe zusammen, man besann sich auf den Bildungsverein und er kam plötzlich zu Ehren und sollte ein Kampfmittel wider die Römlinge werden. Man hält Vorträge und hat auch eine Bibliothek angelegt, d. H. man hat an allen Ecken und Enden bei den Buchhändlern herumgefochten und die Herren haben sich ihrer ehrwürdigsten Ladenhüter und ihrer hoffnungslosesten Krebse entledigt und dieser Schund soll nun den Bildungshunger des armen Volkes befriedigen. Ich war neugierig darauf, wie die Herren das Ding anpacken würden und bin auch eingetreten — daß sie den Verein, wenn er auch einen kleinen anständigen Anlauf nehmen sollte, in kurzer Zeit verhunzt haben

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_58.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)