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fand aber natürlich diese Bitte ungenügend und war nicht wenig erstaunt, als Krone nun, sich selber zwingend, das gerettete Mädchen zur Sprache brachte; Wolfgang horchte hoch auf, als er erfuhr, daß es die „kleine Anna“ der beiden Alfrede sei, die er einer dringenden Gefahr entrissen hatte. Krone wußte weiter, daß ein Mitglied der Feuerwehr, ein junger Schlossermeister, sich um die Neigung des Mädchens bewarb und daß sie ihm wohl auch gern die Hand reichen würde, wenn der, wenn auch noch so beschränkte und vorläufig völlig unschuldige Verkehr mit den beiden jungen Chemikern nicht wäre. Neben diesen feinen Herren könne der durch und durch brave, ehrliche Bewerber natürlich nicht aufkommen; das junge Blut gewöhne sich an Lebens- und Umgangsformen, die nicht für sie taugten, sie lerne Ansprüche machen, welche die Kreise, aus denen sie stamme und auf welche sie angewiesen sei, nie erfüllen würden und zu denen sie ihrem Bildungskreise nach nicht einmal berechtigt sei; sie werde naturgemäß unzufrieden mit ihrem Lose und ungerecht gegen ihre Umgebung, und das alles nur, damit die Herren ein amüsantes Spielzeug an ihr hätten; daran, sie zu heiraten, dächte doch keiner, sie mache sich darüber auch gar keine Illusionen und es sei ihnen schließlich nicht einmal zu verdenken; wohin sollte das aber schließlich führen?

Die beiden feinen Herren gingen eines Tages auf und davon, und ihr „Schwesterchen“, das sie so lange gehätschelt und verwöhnt hätten, bliebe zurück und hätte sich durch sentimentales Zuckerwerk den Magen so gründlich verdorben, daß er kein derbes, gesundes hausbackenes Brot mehr vertragen könne. Das sei noch der günstigste Fall, denn am Ende verliebe sie sich doch in einen von den beiden und dann sei das Unglück fertig; es würde sich also ein großes Verdienst um sie erwerben und möglicherweise ihr gefährdetes Lebensglück retten, wer ihr in freundlicher und überzeugender Weise nachwiese, daß das geschwisterliche Verhältnis zu den beiden jungen Herren ein ungesundes und unnatürliches sei und daß sie schließlich die Kosten zu bezahlen habe: mit einem beschädigten Herzen oder einem kranken Kopfe. Sie würde natürlich nicht auf jeden hören, wenn aber Wolfgang, zu dem sie sicher käme, die Gelegenheit benutze, ihr das verdrehte Köpfchen zurechtzurücken, so verspreche das noch am ehesten einen Erfolg, und wenn die Kleine in sich gehe und dem bisher so hochmütig verschmähten Bewerber auch seine guten Seiten abzugewinnen wisse, ihm solle es lieb sein, obgleich dieser es gerade nicht um ihn verdient und während des Kriegs sehr häßlich über ihn gesprochen und ihn fast fanatisch angefeindet habe.

Das war natürlich alles nicht so glatt und fließend, sondern gehackt und zerrissen herausgekommen, und Wolfgang hatte dem halb Eifrigen, halb Verlegenen und über die eigene Kühnheit mehr und mehr Erschreckenden häufig genug hilfreich beispringen und ihm das Wort, nach dem er sichtlich suchte, fragend anbieten müssen. Von einem ihm plötzlich kommenden Gedanken beherrscht, sagte er dann seine Vermittlung in dieser heiklen Angelegenheit freundlich zu, und Krone pflichtete ihm

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_57.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)