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innersten Ueberzeugung so oft für eine kolossale Uebertreibung erklärt, daß er mit diesem Satze mehr als früher zurückhielt.

Er war Faktor in der kleinen Druckerei des Orts und dem Besitzer derselben längst unentbehrlich geworden, da er zugleich die Korrekturen las und eine hinreichende Schriftgewandtheit besaß, um auch stilistische Schnitzer verbessern zu können; ohne diese Unentbehrlichkeit hätte die stoische Tapferkeit, mit der er 1870/71 überall seine politischen Ansichten bekannte und nach Kräften verfocht, ihm leicht seine, wenigstens nicht schlechte, Stellung kosten können, denn es hatte nicht an begeisterten Patrioten gefehlt, die dem Besitzer der Druckerei in den Ohren lagen und ihn aufforderten, diesem Menschen, der sich an der „Ehre der Nation“ vergreife, kurzerhand den Laufpaß zu geben. Der gute Mann zuckte in aufrichtigster Verlegenheit die Achseln; er mochte um keinen Preis einen Zweifel an der Hochgradigkeit seiner Vaterlandsbegeisterung aufkommen lassen und wäre doch in eine peinliche Notlage geraten, wenn er dem Drängen nachgab. So lavierte er denn, so gut es gehen wollte, suchte Krone als einen harmlosen, eher bedauernswerten Sonderling zu entschuldigen und bat, wenn die Ungestümen sich gar nicht abweisen ließen, ihm wenigstens Zeit zu lassen, bis er einen anderen passenden Mann gefunden haben werde; er hoffte dabei im stillen, die Siedehitze werde auf eine mäßigere Temperatur herabsinken und Krones undeutsche Haltung während des Krieges, der doch nicht ewig dauern konnte, werde in Vergessenheit kommen. Er hatte richtig gerechnet, und so kam es denn, daß man den einst so vielfach Angefeindeten noch immer jeden Mittag und Abend in einer Art von nachlässigem Trott die Druckerei verlassen sehen konnte — einen breitkrämpigen Filzhut auf dem Kopfe, den einreihigen Rock bis an den Hals herauf zugeknöpft und die linke Hand in der Tasche des weiten, faltigen Beinkleids — und daß er nach wie vor in der Feuerwehr als eines der erfahrensten, kaltblütigsten und diensteifrigsten Mitglieder selbst von seinen Gegnern respektiert wurde. Er hatte eben, in hilfloser Verlegenheit bis an die Ohrläppchen errötend, linkische Versuche gemacht, den herzlichen Dank Wolfgangs abzulehnen, diesem das alleinige Verdienst bei der Rettung des jungen Mädchens zuzuschieben und seine Beteiligung als die allereinfachste, gefahr- und verdienstloseste Pflichterfüllung darzustellen, und als Wolfgang ihn versicherte, daß es die Heilung seiner Verwundung sehr begünstigen werde, wenn er Gelegenheit erhalte, seinem unerschrockenen Kameraden einen noch so kleinen Dienst zu erweisen, da zauderte er lange und wand und krümmte sich, bis er die Bitte hervorbrachte, ihm im August ein paar Okulierreiser von den jedenfalls sehr schönen Rosen zu überlassen, die Wolfgang in seinem neu angelegten Garten angepflanzt habe und deren Namen er gern erfahren möchte; er habe auf dem Grabe seines Töchterchens einige sehr schöne Wildlinge stehen, die er gern veredeln möchte, und es sei ihm doch nicht gleichgültig, welche Arten er dazu verwende.

Wolfgang sagte, von einer leichten Rührung angewandelt, bereitwillig zu, daß er sich selber wählen solle, was ihm am meisten gefiele,

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_56.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)