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in vollem Brande befindliches Zimmer, am andern ein auf den Garten gehendes Fenster, doch war man von diesem durch eine Menge über und über brennenden Holzwerks abgeschnitten — es blieb nur der Rückweg über die Treppe. Ein Blick hatte genügt, Wolfgang über die Ge-fährlichkeit der Situation aufzuklären, — er stürzte nach dem Alkoven und fand ihn verschlossen. Die leichte Thür gab jedoch schon den ersten energischen Hieben seines kurzen Beils nach und das aus dem süßen, festen Schlaf der Jugend so gewaltsam aufgeschreckte Mädchen war halb bewußtlos und leistete keinen Widerstand, als er es umfaßte, es wie eine Puppe auf den Arm nahm und mit ihr durch den erstickenden Rauch und das unheimliche Sausen und Zischen der Flammen der Treppe zustürzte. Sie war nicht mehr passierbar — eine gewaltige Lohe schlug ihm sengend entgegen. Ein Versuch, durch die Wohnung des Tischlers an ein Fenster zu gelangen, scheiterte; er konnte die schmerzenden Augen nur noch blinzelnd ein wenig öffnen und schon fühlte er, wie der beißende Rauch sich erstickend in seine Kehle drängte und ihn betäubte, ― er hatte dunkel den Gedanken: „Wir sind also beide verloren — könnten wir nur an ein Fenster kommen, ich spränge mit ihr hinunter — lieber den Hals brechen, als so elend ersticken!“ Das junge Mädchen hatte den Arm um seinen Nacken geschlungen, ihr Kopf lag auf seiner Schulter — sie schien nicht zu wissen, was mit ihr vorging und wo sie war. Ihr Retter fing bereits an, zu taumeln und vergebens nach Lust zu ringen — da fühlte er, mit der Hand rastlos an der Wand hintastend, eine Thür. Sie konnte nur eine nach einem Bodenraum führende Treppe absperren — konnte man dorthin gelangen, so war vielleicht noch eine Möglichkeit der Rettung, und jedenfalls war Zeit gewonnen und man gelangte in frische Luft. Das Beil that nochmals seinen Dienst — die Thür splitterte unter den kräftigen Hieben, — da war es Wolfgang, als höre er von drüben aus dem Gange den lauten, angstvollen Ruf: „Hauptmann! Hauptmann! Wo sind Sie?“ Wolfgang wankte an der eben in sich zusammenbrechenden und einen Funkenregen emporsprühenden Treppe vorüber nochmals in die Wohnung der Witwe und in den Gang, an dem der Alkoven lag, — er war ebenfalls von Rauch erfüllt, aber an dem Fenster am Ende des Gangs war die Glut verschwunden und im Fenster saß, das eine Bein nach innen, die beiden Hände zur Verstärkung des Schalls am Munde, mit rauchgeschwärztem Gesicht der Steiger Krone; als er seines Hauptmanns ansichtig ward, bog er sich zurück und rief ein kräftiges, herzliches: „Hurra!“ hinunter; lautes, stürmisches Rufen seiner Kameraden war die Antwort. Krone sprang von der Leiter, die er im Fenster eingehängt hatte (mit heraufgereichten Eimern und später mit dem Strahlrohr einer Spritze hatte er die lichterloh flackernden, trocknen Wannen und Fässer, die am Fenster aufgeschichtet waren und welche die in dem anstoßenden Zimmer tobende Glut ergriffen hatte, in verhältnismäßig kurzer Zeit abgelöscht, um sich eine Weg zu Wolfgang zu bahnen) in den Gang und wollte seinem Hauptmann das bewußtlose, totbleiche Mädchen abnehmen, — aber so fest

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_49.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)