Seite:Ein verlorener Posten 32.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

stand in dem zu raschen Entschlüssen und zu opferwilliger Hingabe an eine Idee geneigtesten Alter, als sich im Jahre 1866 für den Sehenden die Wolken des Kriegsgewitters zusammenzuballen begannen, und wendete sich im Frühjahr nach Wien, um sich unter der Hand darauf vorzubereiten, im Moment der Kriegserklärung sein zweiundzwanzigjähriges junges Leben zur Verfügung zu stellen. Ein Offizier, dessen Bekanntschaft er bald gemacht, drillte ihn, focht und schoß mit ihm, und als ein Aufruf des Kaisers junge Leute aus den gebildeten Ständen aufforderte, als Kadetten auf Kriegsdauer in die Armee einzutreten, war er einer der ersten, die dem Rufe Folge leisteten. Der General v. Gablenz, ein geborener Sachse, bei dem er sich gemeldet hatte, teilte seinen jungen Landsmann dem 16. Jägerbataillon zu, das seinem Corps angehörte, und Wolfgang hielt sich bei Trautenau so tapfer und entwickelte so viel ruhige, heitere Kaltblütigkeit, daß er nach der Schlacht auf Vorschlag des Bataillons zum Offizier befördert ward. Bei Königgrätz leicht verwundet, sah er sich in der Erwartung, der Krieg werde Jahre währen, nur zu bald getäuscht, nahm unmittelbar nach dem Friedensschlusse seine Entlassung und ging, unzufrieden mit der Neugestaltung in Deutschland, nach England, halb und halb entschlossen, sich später dort für Ostindien engagieren zu lassen. Statt diesen von Groll und Mißmut erzeugten Gedanken auszuführen, hatte er sich in England festhalten lassen, ja, es war sogar zuletzt wie eine Art von Heimweh über ihn gekommen, und als sich ihm Gelegenheit bot, nach Deutschland zurückzukehren, hatten die heimischen Wälder und das Rauschen ihrer Wipfel obgesiegt über die See und über die Donner der Brandung, die ihn so oft in Schlummer gewiegt. Wie lange ihn freilich die See freigab aus ihrem Bann, das ließ sich nicht sagen.

Er hatte mit einer gewissen Lebhaftigkeit erzählt, aber einfach und schmucklos und ohne jeden Anflug von Renommisterei; auch die raffinierteste von allen Formen der Koketterie, die einer studierten Bescheidenheit, lag ihm fern, und der Eindruck, den dieser Bericht hervorbrachte, war ein so günstiger, daß der Kommerzienrat anfing, zu glauben, es sei vielleicht kein Unglück gewesen, daß diese beiden Besuche sehr wider seinen Wunsch durch eine Laune des Zufalls zusammenfielen. Der Landrat konnte trotz seiner tiefen Abneigung wider alles, was Freiwilligkeit hieß, und trotz seiner ehrlichen, altpreußischen Verachtung für Freiwillige im Kriege nicht umhin, sich für den jungen, streitbaren Preußenfeind zu interessieren, und seine stolze Frau war sogar so gnädig, einige Fragen an Wolfgang zu richten und machte während der Heimfahrt, wenn auch sehr nachlässig und beiläufig, eine Bemerkung über das angenehme Organ des jungen Mannes und über den merkwürdig einschmeichelnden Tonfall, mit dem er spreche. Die Beobachtungen des Landrats, der Wolfgang in ein lebhaftes Gespräch verwickelt hatte, unter beinahe auffälliger Beiseitelassung des Kommerzienrats, hatten sich natürlich nicht auf solche Nebensachen erstreckt; er hatte über mancherlei englische Verhältnisse Auskunft eingezogen und Wolfgang auf allen Gebieten

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_32.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)