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ich hab mit meiner Alten drüber gesprochen, — sie ist sonst ein bissel zähe und mißtrauisch, aber diesmal war sie gleich dabei, — und nun nehmen Sie's und sagen Sie kein Wort mehr ich bitte Sie inständigst.“

Wolfgang drückte ihm herzlich die Hand und erwiderte, eigentümlich bewegt und doch auch wieder voll Uebermut:

„Ich danke Ihnen und werde Ihnen diesen Zug nie vergessen; ich würde mich auch keine Minute zieren und das Geld von Ihnen ganz einfach annehmen, aber sehen Sie, erstens sind meine Finanzen noch ganz leidlich bestellt, zweitens habe ich drüben alte Freunde, die reicher sind als Sie, und drittens nehme ich eine reiche Frau mit, kann also gar nicht in Not kommen. Ja, ja, machen Sie nur große Augen, ich entführe dem Herrn Kommerzienrat eine von seinen Damen, ein Husarenstreich, der Ihnen gewiß zu ganz besonderer Genugthuung gereichen wird. Erst spiele ich ihm in der Wahlversammlung den ärgsten Possen und nun gehe ich ihm auch noch mit Fräulein Hoyer durch —- und das ist der Humor davon.“

Er klopfte an das Fenster des Coupes, Martha ließ dasselbe nieder und Wolfgang stellte vor:

„Hier, Martha, hast Du meinen Steiger Krone, das treueste, bravste Herz in der ganzen Stadt und einen der prächtigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe; gieb ihm die Hand, er hat es zwanzigfach um Dich verdient.“

Krone brachte es zu keiner Antwort, er konnte nur immer wieder die Hand seines Hauptmanns schütteln und sich beschämt mit der Hand über die feuchten Augen fahren. Es war ihm fast willkommen, daß in diesem, bei seiner Weichheit für ihn so überaus kritischen Moment die kleine Anna am Arme des jungen Schlossermeisters, dem einst die beiden Alfrede so sehr im Wege waren, auf Wolfgang zukam; er trat diskret zurück, in die nächste Ecke, um nicht zu stören, und hörte Anna hastig und erwartungsvoll fragen:

„Haben Sie Fräulein Hoyer nicht gesehen? Es ist möglich, daß sie mit diesem Zuge ebenfalls abreist; ich habe ihr Gepäck heimlich zur Bahn gebracht.“

Wolfgang lächelte. „Ja, Sie wollten mir aber doch eine Ueberraschung bereiten?“

„Ach, das hat Zeit, das ist nicht so wichtig; wenn ich nur wüßte ob Fräulein Hoyer hier ist, — Sie müßten sie doch gesehen haben.“

„Freilich habe ich sie gesehen; wir reisen sogar in einem Coupé, wie dies bei einem Brautpaar wohl selbstverständlich ist.“

„Verlobt?! Mit Fräulein Hoyer?“ jauchzte die Kleine. „Und sie fährt gleich mit? Da steht aber morgen früh bei uns das Haus auf dem Kopfe!“

„Und daran sind eigentlich Sie schuld, denn wenn Sie gehalten hätten, was Sie mir mit Hand und Mund versprochen haben, passierte die ganze Geschichte nicht. Aber ich danke Ihnen für diesen Wortbruch

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)