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Tisch, das jedes Lüftchen umbläst; ich will die meine aus Stein auf Felsengrund bauen — auf Dein Herz! Dann trotzt sie jedem Sturm.“

„Du wagst, Martha; nennst Du es stolz oder gar eitel, wenn ich Dir ganz leise sage, daß der Gewinn das Wagnis wohl wert ist? Setze ruhig Dein alles auf den einen Wurf — Du gewinnst!“

„Das habe ich vom ersten Augenblick an gewußt, wenn ich auch nicht glauben konnte, daß Du mich jemals lieben würdest; nur Deine Freundin wollte ich sein, ich glaube freilich, daß ich Dich immer geliebt habe.“

„Nun, das wollen wir unterwegs überlegen, Martha; der Weg nach —“

„Nein, Wolfgang, sage mir nicht, wohin Du mich führst, ich will auch das nicht wissen; Du kannst Dir nicht denken, wie süß es ist, alle Fesseln zu zerreißen und die alte Welt hinter sich versinken zu sehen und nur das Eine zu wissen, daß in der neuen, wie fern sie auch sei, das Glück wohnt.“

„Wohl, Lieb, ich begreife auch das; nun mache Dich aber auf eine weite, weite Reise gefaßt, und wenn wir am Strande unserer neuen Welt landen, werden wir gar nicht mehr viel übrig haben. Aber nicht wahr, das ficht Dich nicht an? Ich habe auch eine tapfere, standhafte Frau, die sich in alles fügt und schickt? Wir finden wackere Freunde vor, und ich werde bald wieder so viel haben, daß ich Dir ein kleines, behagliches Heim schaffen kann.

„Ich verstehe Dich, aber — es scheint, Du weißt noch gar nicht, was für ein sorgsames Hausmütterchen ich abgeben werde. Sieh, so ganz arm komme ich doch nicht zu Dir; ich wußte ja nicht, daß Du mich mitnahmst, hatte mich vielmehr auf ein längeres Verweilen bei meiner guten Luise einzurichten, und ihr konnte und wollte ich selbstverständlich in keiner Weise zur Last fallen. So kann es wohl sein, daß ich mehr habe, als Du; aber das soll unsere Reserve sein, fürs erste will ich ganz von Dir abhängen. Sind wir erst in unserer neuen Welt, so kannst Du ja einmal nachsehen, wieviel ich in meinem kleinen Portefeuille habe; später, meinetwegen über Jahr und Tag, wird Herr Reischach freilich ausliefern müssen, was ich ihm jetzt recht gern noch lassen will.“

Ueber Wolfgangs Gesicht glitt ein Schatten; seufzend sagte er: „Ich weiß freilich auch nicht, was anders werden soll, aber ich mag nichts damit zu schaffen haben und nichts davon wissen. Verwende die Zinsen zu wohlthätigen und humanen Zwecken, wir aber wollen unser eigenes, kleines Budget haben, und solange mir Kopf und Hände den Dienst nicht versagen, soll es Dir gewiß an nichts fehlen.“

„Glaubst Du, ich wüßte das nicht, Wolfgang? Aber haben die Engländer nicht ein Sprichwort, das ungefähr besagt, die Mildthätigkeit beginne für jeden einzelnen bei ihm selber? Sollst Du noch länger in der Tretmühle eines Berufs gehen, der Dich doch unmöglich befriedigen kann, oder sollst Du diese Dienstbarkeit mit einer anderen vertauschen und für Geld schreiben? Nein, das darfst Du gar nicht. Du wirst auch ohne

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_228.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2018)