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gedacht!“ sagte hinter ihnen ein Schmollton eine helle Tenorstimme und der lange Alfred legte seine Hand auf Wolfgangs Schulter. Nun hat die Freude am längsten gedauert! meinte auch der Dicke, der übrigens sehr wütend auf Sie war und ganz aufgebracht davongelaufen ist. Schließlich hat er sich indessen mit der Erwägung getröstet, daß Frau Meiling ihren Garten vielleicht an uns vermiete.“

„Das sieht ihm ähnlich. Grüßen Sie ihn von mir, denn morgen geht, unter uns gesagt, die Reise fort. Sie müssen nun sehen, wie Sie den Bildungsverein weiter durchschleppen, -— ich rechne auf Sie.“

„Das können Sie. Uebrigens war das vorhin eine famose Pauke, wenn sie auch sehr ungemütliche Folgen hat. Ich könnte blutige Thränen weinen, daß Sie so Knall und Fall abschwärmen, denn nun wird es wieder schauderhaft langweilig in diesem gottverlassenen Neste, aber ich sehe schon ein, daß es alles nichts helfen konnte. Es muß ein wahres Fest sein, endlich einmal seine Meinung offen heraus sagen zu können. Ich bin ja bis jetzt nur ein halber Roter, aber es wird mir schon jetzt sauer, mit meiner Meinung hinter dem Berge halten zu müssen, und es sind doch nicht alle Leute so dumm, wie die beiden Commis-voyageurs, die neulich behaupten wollten, ich sei ein Sozialist, aber ganz still wurden und sich möglichst dumm ansahen, als ich mich dagegen verwahre und behauptete, Kollektivist zu sein, von der Partei hatten sie in ihrem Leben noch nichts gehört, und ich war nun sofort wieder „lieb Kind“ bei ihnen. Das ist doch „niedlich?“

Wolfgang hörte nur mit halbem Ohr auf dieses Geplauder, und als der Sonettendichter Alfred herzlich sagte:

„Nun trinken wir aber noch eine Flasche Wein zusammen — zum Abschied?“ lehnte er es bestimmt ab und erwiderte ernst:

„Ich brauche nun Ruhe und Alleinsein, um mir den ganzen wüsten Spuk aus der Seele fortzuschaffen. Wir sehen uns ja morgen nacht eine Viertelstunde vor Abgang des Schnellzugs auf der Bahn noch einmal; jetzt muß ich schon bitten, mich mir selber zu überlassen; ich will noch ein paar Stunden hinaus in die Nacht und auf die Berge laufen und Abschied nehmen. Das wird mir besser thun, als hinter gefüllten Römern zu sitzen.“

Krone nickte, als sei dieser Vorsatz ganz nach seinem Sinne; Alfred aber meinte:

„Einem anderen würde ich das nicht glauben, Sie freilich sind über den Verdacht erhaben, als umschlössen die Mauern dieses Städtchens ein zartes Liebchen, von dem Sie einen thränenreichen Abschied nehmen wollten. In diesem Falle ließe ich Sie übrigens weit lieber gehen und fände Ihre Weigerung wenigstens begreiflich.“

Man war in eine der Gassen gekommen, die aus dem Städtchen ins Freie führten, Wolfgang drückte den beiden die Hand mit einem fast gleichgültig klingenden: „Morgen also, vielleicht schon im Wahllokal!“ und schritt langsam hinaus in die Nacht. Auch Krone und der junge Chemiker trennten sich, beide schweigsam, beide in Gedanken mit dem

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)