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Gehör. Wir haben Reden genug gehört — jeder weiß, was er zu thun hat, — ich stelle den Antrag auf Schluß.“

Der gute Krone wußte weder, daß seine vieldeutigen und in allen Farben schillernden Worte allen Parteien genehm sein und sogar den Verdacht erwecken konnten, als habe er gegen Wolfgang Front machen wollen, noch wußte er, daß er mit seinem Antrag, der doch nur bezweckte, zu verhindern, daß die Rede Wolfgangs etwa abgeschwächt und ihr Eindruck verwischt werde, den Gegnern einen großen Gefallen erwies. Sein Antrag ward widerspruchslos mit unzweifelhafter Majorität angenommen; die Ultramontanen stimmten die Piushymne an, und als er die Tribüne fast unbeachtet verließ, kam ihm die Ahnung, daß er doch eigentlich etwas anderes gesagt hätte, als ursprünglich in seiner Absicht lag.

Der Saal leerte sich rasch und es blieb nur eine kleine Gruppe zurück; die entschiedensten Sozialisten drückten Wolfgang dankbar die Hand, bestürmten ihn mit Fragen über die von ihm gefaßten Entschlüsse und sprachen sanguinische Hoffnungen auf den Erfolg des Abends aus. Wolfgang lehnte sehr ernst jeden Dank ab und versicherte, daß er ohne starke persönliche Motive diese Rede schwerlich gehalten haben würde; er warnte achselzuckend vor voreiligen Illusionen und verabschiedete sich dann herzlich von allen, ohne Tag und Stunde seiner Abreise zu verraten.

Am Ausgang des Saales stieß er auf Krone; dieser streckte ihm die Hand entgegen und sagte fast kläglich und kleinlaut:

„Herr Hammer, ich glaube, ich thue am besten, wenn ich Ihnen gar nichts sage; schließlich kommt doch wieder alles ganz anders heraus, als es gemeint war. Der Teufel soll mich lotweise holen, wenn ich je wieder eine Rede halte. Denken Sie sich, eben gingen zwei Schwarze vorbei, die steif und fest glaubten, ich hätte für sie gesprochen; sie hielten sich an die Wort: „Die ewigen Ideen ließen sich nicht unterdrücken und die Gewalt könne ihnen nichts anhaben.“ Und im nächsten Augenblick sagte ein feister Fleischermeister zu einem aufgedunsenen Bäcker, der neben ihm herwatschelte: „Reden kann er, das muß wahr sein, aber der Schriftsetzer hatte recht: die Redekünste leiden zuletzt doch elend Schiffbruch. Was die Teiler uns Vorreden, ist doch nur Lug und Trug und mit dem Bravoschreien machen sie uns noch lange nicht bange.“ Soll man sich da nicht alle Haare einzeln ausraufen? Ich habe das Redenhalten längst verschworen gehabt und nun falle ich doch wieder so jämmerlich hinein und —“

„Lassen Sie sich's doch lieb sein, daß niemand so recht weiß, daß Sie für mich gesprochen oder vielmehr haben sprechen wollen. Sie können doch nicht so ohne weiteres Ihre Siebensachen in einen Koffer packen und auf und davon fahren — nach England oder Ostindien, nach dem Kap der guten Hoffnung oder nach der Pfefferküste — was kümmert's mich?“

„Nun ja, da haben wir die Bescherung; das habe ich mir doch gleich

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_207.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)