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„Unwohl? Das thut mir leid. Ich glaube übrigens auch, daß sie gut und freundlich ist, und das ist mir Ihretwegen besonders lieb. Mit Fräulein Reischach haben Sie wohl keine Not, und da sind Sie schließlich hier besser aufgehoben, als bei Frau von Larisch in Berlin.“

„Aber. Herr Hammer, Sie sollten Fräulein Martha gar nicht mit Fräulein Emmy und Frau von Larisch zusammen nennen; Sie kennen sie gewiß nur ganz oberflächlich.“

„Doch nicht so ganz oberflächlich, aber das sind Nebensachen und Sie können nur über Fräulein Hoyer kaum etwas neues sagen. Die Hauptsache ist, daß Sie meinen Brief pünktlich besorgen und so, daß niemand sonst davon erfährt.“

„Gewiß und wahrhaftig, Herr Hammer, ich halte Wort — glauben Sie das nicht? Ich habe auch eine Bitte, eine recht dreiste Bitte ich getraue mich gar nicht recht, sie auszusprechen. Würden Sie mir denn — aber nein, ich fürchte. Sie werden böse!“

„Nun, Kleine, so unerhört wird Ihr Anliegen doch nicht sein?“

„Ach, ich hätte so gern — ein Bild von Ihnen, ein Andenken an meinen Retter. Ist das keine zu dreiste Bitte?“

„O nein. Dort liegt mein Album; suchen Sie sich das Bild heraus, das Ihnen am besten gefällt.“

Anna wurde ganz rot vor Freude, und dann zeigte sie mit dem Finger schüchtern und fragend auf die Photographie des Jägeroffiziers, der die Mütze mit den gebogenen Spielhahnfedern keck aufs Ohr gesetzt hatte und recht kühn und verwegen in die Welt sah.

Wolfgang amüsierte die Wahl. Er fragte:

„Aber warum gerade das Bild? Das stammt ja aus alter Zeit. Sie finden mehrere von jüngerem Datum.“

„Weil Sie hier so aussehen, wie ich Sie immer sehen möchte, frisch und froh. Jetzt sehen Sie viel nachdenklicher und ernster aus und heute — geradezu traurig. Ich möchte fast denken, es fiele Ihnen schwer, von hier wegzugehen, doch wenn das wäre, dann brauchten Sie ja nur nicht zu gehen. Aber was ich da gesagt habe, war gewiß recht dumm.“

„Das möchte ich nicht behaupten, vor Ihnen muß man sich ja beinahe in acht nehmen! Aber hier haben Sie das Bild; wenn ich eins in Feuerwehruniform hätte, bekämen Sie es extra.“

„Ach ja, daran habe ich noch gar nicht gedacht; was wird denn aus der Feuerwehr, wenn Sie fortgehen? Wissen die es schon?“

„Daß ich fortgehe, weiß noch niemand und den Tag und die Stunde wird überhaupt niemand erfahren, Sie dürfen also auch keiner Seele etwas davon sagen — hören Sie? Meine kleine Bundesgenossin hat vor allen etwas voraus und kann schon ein wenig stolz darauf sein.“

„Das bin ich gewiß, und um Ihr Bild lasse ich mir einen hübschen Rahmen machen und hänge es in meine Kammer, und ein frisches Kränzlein soll es auch immer haben.“

„Thun Sie das, denn sonst wird, vielleicht meine alte, brave Frau

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)