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wird und daß sie nie auch nur andeutungsweise berührt werden, — wiederum ein Beweis von weiblichem Zartgefühls den Sie gewiß bewunderungswürdig finden werden.“

„Darf ich bitten, mich über diese Bedingungen offen und unverkürzt und mit einemmal zu unterrichten, obgleich sie meinen Entschluß schwerlich irgendwie beeinflussen werden?“

„Das glaub ich auch, Herr Hammer,“ lachte der Kommerzienrat. Eigentlich ist es selbstverständlich, daß diese Wünsche Fräulein Hoyers erfüllt werden würden, auch wenn sie dieselben nicht ausgesprochen hätte, und ich war der Meinung, daß sie gar nicht nötig hätte, Sie durch ein Versprechen zu binden. Der Uebergang aus einer Lebensstellung und einem Gesellschaftskreise in wesentlich verschiedene bringt unwillkürlich nicht bloß eine Aenderung der Lebensweise und der Liebhabereien, sondern selbst einen Wechsel der Anschauungen mit sich, und ich halte Sie für viel zu einsichtig und taktvoll, als daß sich nicht alles ganz von selbst nach den Wünschen der Braut und Frau gestaltet hätte. Aber sie legte Gewicht auf diese kleinen Bedingungen, glaubte sogar, daß sie ein kleines Opfer von Ihnen fordere und bestand darauf, daß ich diese Seite der Angelegenheit mit Ihnen bespräche. Nun, ich denke, Sie werden Ihrer zukünftigen Frau mit Vergnügen beruhigende Zusicherungen geben.“

„Und an welche Bedingungen — Sie entschuldigen meine Ungeduld — glaubt Fräulein Hoyer die Gewährung ihrer Hand knüpfen zu müssen?“

„Sie würde keine ruhige Stunde haben, wenn Sie noch länger der Feuerwehr angehörten; gewiß ist diese Thätigkeit bei Ihrem Eifer und Ihrer Kühnheit mit ernsten Gefahren verbunden, — ich glaube nicht, daß ich nötig habe, Sie an den fast tragischen Vorfall in diesem Frühjahr zu erinnern.“

„Und die übrigen Kleinigkeiten?“ drängte Wolfgang.

„Fräulein Hoyer findet, es sei nicht zulässig, daß ihr Mann in einem Bildungsverein für Arbeiter, vor Leuten aus den untersten Schichten, vor Krethi und Plethi, Vorträge halte, — als ob sie später Lust und Zeit haben würden, sich mit solchen Dingen abzugeben! Als ob Sie sich nicht lieber Ihrer Frau und den gesellschaftlichen Verpflichtungen widmen würden, die Ihnen aus Ihren neuen Verhältnissen erwachsen werden! Aber so sind nun die Frauen, sie wollen immer ganz sicher gehen.“

Es war eine Starrheit über Wolfgang gekommen, die der Kommerzienrat für Gleichgültigkeit hielt; so fuhr er denn in leichtem Tone fort:

„Durch irgend eine Klatscherei hat Fräulein Hoyer Kenntnis davon erhalten, daß Sie aus falschverstandener Humanität der Bewegung unter den Arbeitern Vorschub geleistet haben, so daß Sie in den Verdacht gekommen sind, Sympathien für die verabscheuungswürdigen Bestrebungen der Partei zu hegen, die alles Bestehende umstürzen will. Sie können sich denken, welchen Eindruck diese Einflüsterungen auf sie gemacht haben; sie verabscheut selbstverständlich diese Partei von Grund

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)