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Ihnen verdenkt, daß Sie Ihren Vorteil geschickt wahrnahmen. Ein junger Mensch muß Glück haben, das war immer mein Wahlspruch, und die einfachste Art, zu einem Kapital zu kommen, ist eben doch die, es zu erheiraten, wenn man selbst ein Auge dabei zudrücken muß. Von der Liebe allein lebt man nicht, und eine schöne Schüssel kann man nicht essen. Ich verdenke es Ihnen ganz gewiß nicht, daß Sie resolut zugegriffen haben, und ich würde einen jungen Mann, dem sich eine so brillante Gelegenheit bietet und der sie nicht benützt, für verzweifelt unpraktisch halten. Sie sind mir jedenfalls viel lieber als ein Offizier der sein Vermögen verjubelt hat, bis an den Hals in Schulden steckt und sich dann unter des Landes Töchtern nach den schwersten umsieht. Es freut mich um so mehr, daß Sie so verständig und praktisch handeln, als ich gefürchtet hatte, Sie seien in vieler Beziehung auch ein Schwärmer und paßten nicht in die Welt.“

Es war ein düster-forschender Blick, den Wolfgang auf den Kommerzienrat heftete, indem er erwiderte:

„Ich bedaure, gestehen zu müssen, daß die günstige Meinung, die Sie von mir hegen, nicht ganz begründet ist; ganz so praktisch, als Sie glauben, denke und fühle ich doch nicht, und es will mir nicht einleuchten, daß diese Angelegenheit zwischen uns erörtert werden mußte, bevor zwischen Fräulein Hoyer und mir bindende Erklärungen ausgetauscht worden waren.“

Der Kommerzienrat lachte überlegen. „Aber, bester Herr Hammer, das ist in der That lustig. Sollten Sie denn wirklich nicht einsehen, daß es ganz etwas anderes ist, ob man ein blutarmes Mädchen heiratet, oder ob man im Begriff steht, eine glänzende Partie zu machen? Im ersteren Falle kann sich ja alles in der romantischsten Weise abwickeln; hier sind doch so mancherlei äußerst materielle Nebenumstände ins Auge zu fassen und zu regeln, und es ist nicht bloß praktisch, sondern sogar eine Forderung des Zartgefühls, daß diese Dinge erledigt sind, bevor es zur Erklärung kommt. Sie werden begreifen, daß eine ziemlich poetisch angelegte Dame, wie es Fräulein Hoyer ist, den Wunsch hegt, sich die ersten Tage oder gar Stunden des Liebesglücks nicht durch solche Erörterungen zu trüben und zu verderben? Da besinnt man sich denn auf so unpoetische und unromantische Personen, wie es Väter und Onkel sind, oder sonstige männliche Stützen, und betraut sie mit der Mission, diese leidige Seite der Angelegenheit in diskreter Weise zu regeln, damit man nachher ungestört schwärmen kann.“

Der Kommerzienrat nahm Wolfgangs ironisch-bitteres: „Fräulein Hoyer hätte allerdings keinen diskreteren Vermittler finden können!“ für bare Münze und fuhr zuversichtlich fort:

„Eine solche Vermittlung war um so unerläßlicher, als in unserem Falle noch einige kleine Bedingungen zu stellen waren, an deren Annahme sie selbstverständlich nicht zweifelt, die stellen zu müssen ihr aber sehr peinlich ist, so peinlich, daß sie ausdrücklich fordert, daß über dieselben auch für alle Zukunft beiderseits unbedingtes Stillschweigen beobachtet

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)