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erheblich höheren Wert haben, als damals, als ich zuerst diese Idee hinwarf.“

Der Kommerzienrat, dem die Cigarre längst ausgegangen war, stützte den Kopf in die Hand und sah äußerst nachdenklich aus, doch überraschte es den Landrat keineswegs, daß das einzige Resultat ein ratloses Achselzucken war. Er stand auf, klopfte Herrn Reischach vertraulich auf die Schulter und sagte mit einer Mischung von Kordialität und Herablassung:

„Nun, nun, kommt Zeit, kommt Rat; suchen Sie nur ernsthaft, so finden Sie auch einen Weg, haben Sie aber den erst, so braucht es nur noch ein wenig diplomatische Gewandtheit, die Ihnen ja vollauf zu Gebote — nein, nein, Herr Kommerzienrat, keine übergroße Bescheidenheit; ich sage nur, was ich denke! Und haben wir ihn erst herum, so trinken wir eine Flasche Sekt in Eis — ja?“

Der Kommerzienrat, der sich namenlos geschmeichelt fühlte, drückte Herrn von Wertowsky wiederholt dankbar die Hand und sagte einmal über das andere: „Ich werde alles thun, alles — verlassen Sie sich darauf, Herr Landrat. Ich kann Ihnen nicht genug danken, wahrhaftig nicht.“

Der Landrat lächelte bedeutungsvoll. „Nicht im voraus; ich hoffe, Ihnen innerhalb der nächsten vier Wochen noch eine kleine Ueberraschung bereiten zu können; ich bedaure, es bei dieser Andeutung bewenden lassen zu müssen. Es scheint, als sei die Angelegenheit — Sie wissen doch? —, die ich, schon solange betrieben habe, jetzt im richtigen Fahrwasser.“

Das war eine frohe Ueberraschung für den Kommerzienrat, die ihn ganz verwirrte. Der Landrat hatte ihm in Aussicht gestellt, daß er sich bei seinem Bruder, der Minister an einem der kleinen deutschen Höfe war, für ihn dahin verwenden würde, daß er den Orden des Ländchens bekäme. Er hatte immer noch nicht recht daran glauben wollen, daß die Sache sich realisieren werde, denn welches Verdienst hatte er sich um diesen Hof erworben? Nicht einmal Geschäftsverbindungen hatte er in diesem Ländchen. Nun sollte es also dennoch wahr werden, und vielleicht sah ihn — erhebender Gedanke! — das neue Jahr bereits als doppelten Ritter — nein, der Landrat war doch ein ganz prächtiger Herr und ein Edelmann vom Scheitel bis zur Sohle! Wenn er nur gleich gewußt hätte, womit ihm ein recht willkommener Dienst geleistet werden könnte. Die Gedanken drängten sich in seinem Kopfe und er vergaß völlig, zu antworten, aber er war hochrot vor Freude geworden und sein verklärtes Gesicht hatte für den Landrat eine höchst ausdrucksvolle Beredtsamkeit. Die beiden Herren bezahlten, und als sie aus dem Hause traten, schob Herr v. Wertowsky, um des Kommerzienrats freudige Verwirrung zu vervollständigen, seinen Arm unter den seinigen und schlenderte mit ihm bis an seine Wohnung, wo er sich mit kräftigem Händeschütteln von ihm verabschiedete; Herr Reischach wollte ihn bis nach dem Bahnhof begleiten, er aber lehnte es ab, schlug ihn noch einmal auf die Schulter und hatte, als er mit raschen Schritten davonging, wohl kaum eine erschöpfende Vorstellung davon, wie stolz und gehoben der Kommerzienrat

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)