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„Doch nicht so ganz rechtzeitig, mein Freund, und dann ist wohl der Führer fort, aber die Autorität ist geblieben und übt Tag für Tag ihren unfaßbaren, ideellen Einfluß aus.“

Der Kommerzienrat lächelte ungläubig. „Und wer wäre diese geheimnisvolle Autorität? Von ihr müßte ich doch schlechterdings auch etwas wissen, denke ich.“

„Sie scheinen sich wenig darum zu kümmern, was Herr Hammer außergeschäftlich treibt.“ — „Das ist kein Vorwurf,“ setzte der Landrat eilig hinzu, „denn das geht Sie im Grunde nichts an, und wenn er im Geschäft seine Pflicht thut und Ihnen nützlich ist, sind Sie miteinander im Reinen, abgesehen davon, daß mir dieser Herr Hammer ganz den Eindruck gemacht hat, als würde er sich jeden Versuch eines Eingriffs in sein privates Thun und Lassen sehr nachdrücklich verbitten.“

„Aber um Gotteswillen, Herr Landrat, was treibt er denn eigentlich? Jetzt wird mir die Sache ernstlich fatal und ich muß um genauen Aufschluß bitten.“ In der That hörten der Wein wie die Cigarre auf, Herrn Reischach zu munden, seit des Landrats Andeutungen eine so konkrete Form annahmen.

„Nachweisen läßt sich ihm nichts, dazu ist er viel zu klug, und vielleicht ist er auch eine zu kontemplative Natur, um an einer eigentlichen agitatorischen Thätigkeit, die ihm tausend praktische Rücksichten auferlegen würde, während er es lediglich mit der Idee zu thun haben mag, Geschmack zu finden,“ erwiderte der Landrat, den Herrn Reischachs Verblüfftheit und seine komische Verzweiflung höchlichst amüsierten.

Diese Auskunft beruhigte den Kommerzienrat wieder; tief aufatmend sagte er:

„Ja, aber Herr Landrat, wenn man ihm nichts nachweisen kann, läßt sich auch nichts thun.“

„Und was wollten, Sie thun, wenn ich fragen darf?“

„Das kann doch nicht zweifelhaft sein; ich brauche ihn nötig, sehr nötig, wenigstens zur Zeit noch, aber wenn er hier eine sozialdemokratische Bewegung in Gang gebracht hätte, würde ich ihn, ohne auf meine Interessen Rücksicht zu nehmen, entlassen; von zwei Uebeln wählt man das kleinere, und ich werde niemals an meinen Vorteil denken, wo es sich darum handelt, diese unheilvollen, verbrecherischen Bestrebungen zu bekämpfen.“

„Das sind die loyalsten Gesinnungen, die sich denken lassen, aber praktisch und klug gehandelt wäre dies wohl kaum. Ein bekehrter und gewonnener Feind ist mehr wert, als ein zu Boden geschlagener, und selbst wenn sich dieser Herr Hammer frei herausgewagt hätte, wenn er offenkundig Sozialist wäre, würde ich für ein minder gewaltsames Verfahren plaidieren. Erinnern Sie sich nicht mehr, wie ich Sie im Frühling auf ihn aufmerksam machte und mir zugleich erlaubte, Ihnen einen wohlmeinenden Wink zu geben? Ich sah voraus, daß seine etwas zu radikalen Ansichten ihn nach und nach zur Unterstützung staats- und gesellschaftsfeindlicher Bestrebungen bestimmen würden, weshalb ich Ihnen

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_166.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)