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darüber, daß ich ihrer Gegenliebe sicher sei. Nun, das ist ja aber nur eine akademische Unterhaltung; gesetzt, ich kennte eine Frau, die ganz so ist, wie Sie sich meine Geliebte denken — das Zweite gehört darum doch in das Reich der Träume.“

Waren diese Worte mißzuverstehen? Frau von Larisch fühlte, wie ihr das Blut zum Herzen drängte; sie verlor die Fähigkeit, ihre Gedanken in das lose, trügerische Gewand des Scherzes zu kleiden und ihre überlegene Sicherheit ging in Erregung und Spannung unter, die sie ihrer besten Waffen beraubte. Sie konnte nur noch gerade aus ihr Ziel losgehen und wähnte auch, daß dabei keine Gefahr mehr sei. Es lag wie ein zärtlich-strafender, schmollender Vorwurf in dem Klang ihrer Stimme, als sie leise erwiderte:

„Wie kleinmütig! Ich glaube zu wissen, wen sie meinen; ich kenne diese Frau ebenfalls und zwar besser als Sie — soll ich Ihnen sagen, wie sie denkt? Sie hat sich von Anfang an für Sie interessiert, ihr Interesse ist unvermindert und es droht nicht einmal Ihrer Freiheit Gefahr von ihr, denn — eine testamentarische Bestimmung ihres verstorbenen Herrn Gemahls räumt ihr die Nutznießung seines Vermögens bis zu ihrem Tode nur unter der Bedingung ein, daß sie sich nicht wieder verheiratet; schließt sie eine neue Ehe, so fällt auch diese Rente an die Verwandten des Testators. Diese Bestimmung wehrt die Verheiratung mit einem Manne ohne Vermögen, aber — ich traue ihr soviel Geist zu, diese von greisenhafter Eifersucht diktierte Bestimmung dadurch zu umgehen, daß sie wenigstens die Neigung eines Mannes annimmt, dem sie ihre Hand nicht reichen kann. Diese Frau,“ setzte sie ganz leise hinzu, „liebt Sie — nach meiner festen Ueberzeugung —, und ich glaube, sie könnte von Momenten der Selbstvergessenheit erzählen, in denen sie, nur von ihren vier Wänden oder von der Stille des Waldes gehört. Ihnen zurief: Komm!“ Sie hatte schon vorher, wie absichtslos und ohne daß er es zu hindern gesucht, ihren Arm leise aus dem seinen gezogen und dann war sie einen Schritt zur Seite gewichen und stehen geblieben; hätte er nur die leiseste Bewegung gemacht, so würde sie ihm die Arme entgegengebreitet haben.

Aber Wolfgang warf ihr nur einen halb forschenden, halb düsteren Blick zu und sagte so unbefangen, daß der ironische Beigeschmack seiner Worte auch für einen harmlosen Scherz gelten konnte:

„Ich muß Ihnen in diesem Augenblick einen Verdacht abbitten, den Sie glänzend widerlegen. Ich glaubte allen Ernstes, Sie seien tiefer Empfindungen nicht fähig, am wenigsten aber einer wahren Freundschaft. Sie müssen aber eine äußerst lebhafte Zuneigung für diese Dame empfinden, von der ich, wenn ich Ihren Worten wirklich Glauben schenken muß, geliebt werde, denn sie haben sich so lebhaft in ihre Situation hineingedacht und hineingefühlt, daß Sie dieselbe mit einer Lebendigkeit und Lebenswahrheit wiedergeben, die mich mit Bewunderung erfüllt. Darf ich Ihnen wieder meinen Arm bieten, gnädige Frau?“

Einen Moment regte sich in der so kalt Verschmähten und bitter Enttäuschten

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)