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hatte, daß Wolfgang jäh und tief errötete. Das war ihr genug — sie hatte wirklich den wunden Punkt berührt.

Wolfgang erwiderte rasch, ungeduldig und herb: „Nun überraschen Sie mich heute abend doch; daß Sie mir das imputieren würden, hätte ich mir niemals träumen lassen, und ich bin eigentlich sehr geneigt, zu fragen, ob Ihnen momentan kein anderer und besser motivierter Scherz einfallen wollte, wenn nun einmal um jeden Preis gescherzt werden mußte.“

Frau von Larisch unterdrückte mit Mühe ein Lächeln. Hätte sie offen sein wollen, so hätte sie sagen müssen: „Mein lieber Herr Hammer, vergessen Sie nicht, daß Sie es mit einer Frau, und zwar mit einer in Herzensdingen erfahrenen Frau zu thun haben. Wenn man beschuldigt wird, ein zärtliches Interesse für eine Dame zu hegen, ereifert man sich nicht, es sei denn, daß die Frage den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Nun weiß ich, daß Sie in Martha verliebt sind, daß aber hier irgend eine verliebte Laune, irgend eine eingebildete Kränkung, irgend eine Empfindlichkeit, ein Skrupel oder eine Grille oder alles miteinander in schönem Bunde im Spiele ist. Sie sind nur ärgerlich, weil man Sie durchschaut, obgleich Sie wunderbar vorsichtig gewesen zu sein und Ihr Gefühl durch kein Wimperzucken verraten zu haben glauben.“

Von alledem sagte sie natürlich nichts, aber Wolfgang empfand auf seinem Arme einen leisen Druck, der zur Not zufällig sein konnte und der doch seinen Zweck nur um so sicherer erreichte. Sie hing sich fester in seinen Arm und näherte dabei wie absichtslos ihren Kopf seiner Schulter, so daß er dieselbe für einen Moment streifte, und dann sagte sie, voll zu ihm aufblickend:

„Nun ja, lassen Sie es einen Scherz sein. Martha ist ein sehr gutes Mädchen und kann einen etwas schwärmerisch angelegten jungen Mann auf den romantischen Gedanken eines Freundschaftsbündnisses bringen, aber Ihre Geliebte habe ich mir doch anders gedacht, sobald ich reiflicher über Ihre Stellung zu Martha nachdachte. Ich sage absichtlich nicht „Ihre Frau“ — ich kann Sie mir kaum verheiratet denken, und Dichter sollten vielleicht überhaupt nicht heiraten.“

Es war ein gleichgültiges und wenig überzeugt klingendes: „Sie können recht haben!“ das Wolfgang zurückgab. Die Uebereilung, die er begangen hatte, war ihm rasch zum Bewußtsein gekommen; es verdroß ihn, daß er sich durch eine so abgebrauchte List oder — wenn keine Berechnung im Spiele gewesen war — durch eine Regung, wie sie höchstens einen noch halb kindischen Gymnasiasten beherrschen durfte, sein sorgsam gehütetes Geheimnis hatte entreißen lassen; er war ärgerlich über sich selbst, und dieser Unmut machte ihn nicht bloß ungeduldig und kurz, sondern er übertrug denselben auch auf die schöne Frau, die in der verführerischen Dämmerung an seiner Seite schritt und ihren Arm so fest auf den seinigen legte, ohne eine Ahnung von der anscheinend launischen und doch in Wirklichkeit so gut motivierten Wandlung zu halben, die sich in ihm vollzog.

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_153.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)