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werden so rascher fertig und Sie würden mir kaum alles zu Dank machen — ich hab so meine Eigenheiten, das sagte ich Ihnen schon, und Sie wissen gar nicht, was für Raritäten ich mitbringe.“

Die gute Alte hatte zum Schein zugesagt, aber mit dem festen Vorsatz, dennoch alles herzurichten; brachte sie nicht einen unauslöschlichen Makel auf ihre Hausfrauenehre, wenn ihr Mieter nicht alles vorbereitet fand? So erließ sie denn ein kleines Aufgebot an den Heerbann ihrer weiblichen Verwandtschaft, und eine halbe Stunde, ehe Wolfgang hatte kommen wollen, war die letzte gehäkelte Decke glattgestrichen und das letzte Bild an der Wand zurechtgerückt und die letzte Fliegenspur am Spiegel wegpoliert.

Aber wie bald verwandelte sich der Ausdruck gutmütigen Triumphes, von dem ihr Gesicht strahlte, in den des Gekränktseins und der Empfindlichkeit! Als Wolfgang kam, sagte er im Tone freundlichen Vorwurfs und wahren Bedauerns: „Und nun haben Sie sich doch Mühe gemacht und zwar vergebliche Mühe, denn so kann ich das Zimmer beim besten Willen nicht brauchen. Nicht einmal das Bett kann bleiben, wie es ist — ich ersticke in einer solchen Federgruft, und außer der Matratze müssen Sie alles fortschaffen — eine Decke bringe ich selber mit und an anderes Lager bin ich nicht gewöhnt. Wollen Sie mich einmal eine Stunde allein schalten und walten lassen und dann urteilen?“ Frau Meiling brummte zwar: „Na, das wird eine hübsche Wirtschaft werden!“ aber sie mußte doch lächeln, mit so viel Herzlichkeit hatte er ihr beide Hände hingehalten und dazu gesagt: „Und nun sind Sie mir nicht böse — nicht wahr? Ich hatte es Ihnen doch gesagt, und es war ja auch alles ganz hübsch und behaglich, nur nicht für einen so eigensinnigen Sonderling, als ich es bin.“ Sie ging hinüber zur Nachbarin, um ihm das Feld ganz zu räumen, aber innerlich gestand sie sich, es lohne sich wohl der Mühe, noch einmal jung zu werden; war er so liebenswürdig und herzlich und gut gegen eine alte Frau, bei der kein Zahn mehr fest saß, wie mußte er dann erst einem jungen Mädchen gegenüber sein, das er versöhnen und gewinnen wollte?

Als sie nach zwei Stunden wiederkam und ihr Mieter sie mit einer launigen Reverenz in seine „Gemächer“ führte, mußte sie zugeben, daß er ein kleiner Hexenmeister sei. Er hatte kein Stück Möbel am alten Platze gelassen, und es war auch unbestreitbar, daß in keiner gut bürgerlichen Haushaltung eine solche Anordnung herrschte, aber hübsch und flott sah es doch aus, das mußte man ihm lassen. Alle Bilder hatte er von der Wand genommen und durch andere ersetzt, die allerdings viel schöner waren und, was ihr zur besonderen Genugthuung gereichte — die badenden Mädchen und ähnliches, das für Junggesellenwohnungen charakteristisch ist, fehlten ganz, und die Alte dachte im stillen: „Ja, ja, er ist eben nicht wie die anderen, und wie er sich's eingerichtet hat, so soll's auch bleiben, so lange ich es ihm in Ordnung halten kann.“ Sie betrachtete aufmerksam die Bilder; da war die See im Mondlicht und dort schäumende Wellen, sturmgejagte Fischerboote, schaumüberspritzte

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_15.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)