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Zweifel darüber sein, da man Ihre Handschrift so leicht nicht vergißt. Sie hat etwas höchst Charakteristisches.“

„Wollen Sie mir Ihren Arm geben und mich tiefer in den Wald führen? Sie begreifen, daß ich jede Begegnung zu vermeiden wünsche; nicht nur soll, was ich Ihnen zu sagen habe, unter uns bleiben, sondern es ist auch am besten, wenn niemand ahnt, daß ich Ihnen einen Wink gegeben habe.“

„Nichts einfacher als das, gnädige Frau.“

Er nannte sie zum erstenmal so und hatte die abgeschmackte Titulatur bisher stets geflissentlich vermieden, infolge einer Regung demokratischen Selbstbewußtseins, das lieber anstieß, als sich beugte. Frau v. Larisch entging es nicht, daß er sich dieser Form bediente, und sie sah ihn über-rascht und halb vorwurfsvoll an.

„Sie könnten die „gnädige Frau“ auch heute beiseite lassen, denke ich. Nie war sie so überflüssig.“

Wolfgang errötete leicht; er mußte sich sagen, daß er im Unrecht war, und dieses Bewußtsein stimmte ihn wider Willen weicher.

„Ich würde mir in der That Vorwürfe machen müssen, wenn ich Sie vorsätzlich gekränkt hätte, denn ich bin Ihnen für Ihre gütige Absicht, mich zu warnen, den lebhaftesten Dank schuldig, und diese Dankbarkeit wird dadurch, daß Sie mir schwerlich etwas neues sagen und daß ich genau zu wissen glaube, vor wem Sie mich warnen wollen, gewiß nicht verringert. Sie wollen mich darauf aufmerksam machen, daß Herr Weinlich und Herr Rektor Storck mir auf Schritt und Tritt nachspüren und daß sie hoffen, mir einen geheimen Verkehr mit den Häuptern des sozial-demokratischen Arbeitervereins nachweisen zu können, weil sie glauben, mich dadurch für hier unmöglich zu machen?“

„Sie sind ein Hexenmeister, — woher in aller Welt wissen Sie das?“ lautete die betroffene Antwort.

Wolfgang lächelte. „Lassen Sie das mein Geheimnis bleiben; ich bin zum Schweigen verpflichtet, wenigstens moralisch, und Sie werden mich dieser Pflicht nicht abtrünnig machen wollen.“

„Würde ich Glück damit haben? Ich werde den Versuch klüglich unterlassen. Uebrigens ist es am Ende kein so großes Wunder, daß Sie die Pläne Ihrer Feinde kennen, denn möglicherweise ist Herr Rektor Storck anderwärts nicht vorsichtiger gewesen, als uns gegenüber.“

„Darf ich fragen, wen Sie unter diesem „uns“ verstehen?“ sagte Wolfgang, mit einem vergeblichen Versuch, die Spannung zu verbergen. Mit der er auf die Antwort wartete.

„Ich will offener sein, als Sie es sind. Der Herr Rektor hat sich seines Vorhabens Fräulein Reischach, Fräulein Hoyer und mir gegenüber gerühmt und schien seiner Sache so sicher zu sein, daß ich ernstlich besorgt ward und es für meine Pflicht hielt, Sie vor Unvorsichtigkeiten zu warnen, zu denen Ihr Stolz Sie so leicht verführen könnte. Aber Sie scheinen ja sehr kühl über diese Intriguen zu denken und sich so sicher zu fühlen, daß Sie sich berechtigt glauben, die Warnung lächelnd und

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_149.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)