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doch ins Garn liefern wird. Mit etwas Zähigkeit und Geduld kommt man immer ans Ziel und braucht noch nicht einmal auf glückliche Zufälle zu hoffen. Ich kann Ihnen nur soviel sagen, daß Herr Weinlich und ich ein und dieselbe Vermutung hegen, und Herr Weinlich ist ein feiner Menschenkenner und hat Gelegenheit, Tag für Tag Beobachtungen anzustellen. und zwar auch außerhalb des Comptoirs und außerhalb der Stadt.“

„Womit Sie jedenfalls andeuten wollen, daß das scheue, schlaue Wild Herr Hammer ist und daß sich Spione finden, die ihm nachschleichen, um zu ermitteln, ob er mit jemandem von den Arbeitern einen geheimen Verkehr unterhält, Spione, die sich ihres — eigentümlichen Handwerks nicht einmal schämen? In der That, Herr Rektor, ich muß Ihnen zu lebhaftem Danke verbunden sein für die hohe Meinung, die Sie von mir hegen, indem Sie glauben, daß auch ich diesem Komplott Gelingen wünsche. Wodurch habe ich Ihnen je Veranlassung gegeben, mich so — hoch zu stellen und zu wähnen, daß ich solche Intriguen billigen könnte, mögen sie nun gerichtet sein gegen wen sie wollen?“

Diesmal geriet selbst der Rektor in Verwirrung, er fühlte, wie ihm eine brennende Röte in die Wangen stieg, und er erkannte, daß er sich zu weit hatte fortreißen lassen und seine Karten unvorsichtigerweise offengelegt hatte. Er stotterte in arger Verlegenheit:

„Sie nehmen die Sache entschieden zu tragisch, Fräulein Hoyer, so böse, als sie glauben, ist es ja gar nicht gemeint. Und dann dachte ich, Sie würden nicht so ganz gleichgültig gegen eine Unterstützung der Prätensionen der Arbeiter sein und berücksichtigen, daß jede Lohnerhöhung den Geschäftsertrag, an dem Sie ja Ihren Anteil haben, erheblich schmälern muß.“

„Ich muß Ihnen dafür dankbar sein, daß Sie mir Gelegenheit geben, mich gegen die Annahme zu verwahren, als sei ich zugänglich für solche Erwägungen. Ich habe ja keinen Einfluß auf die Leitung des Geschäfts, würde ich jedoch in solchen Fällen befragt, so können Sie sicher sein, daß ich stets und principiell für die Bewilligung von Lohnerhöhungen sein würde; es ist hart und beschämend genug für mich, daß ich erst durch solche Vorkommnisse zum Nachdenken über diese Dinge komme.“

Frau v. Larisch, die gleich Emmy alle Phasen des eigentümlichen Duells mit Spannung verfolgt hatte (Frau Storck, die ihren Gatten blind bewunderte und es gar nicht fassen konnte, daß jemand — und obendrein eine Dame — den Mut hatte, ihm zu widersprechen, hatte in sprachlosem Staunen dagesessen und sich den Angstschweiß von der Stirn getrocknet, da sie, privaten Erfahrungen zufolge, jeden Augenblick einen Ausbruch rücksichtslosen Zorns von ihrem Eheherrn erwarten mußte), brachte das Gespräch durch eine Frage an den Rektor mit der Gewandtheit der Weltdame auf einen anderen, minder gefährlichen Gegenstand, und der Rektor war ihr dankbar dafür, denn er war mit seinem Latein zu Ende. Eine gewisse peinliche Verstimmung war aber doch nicht zu beseitigen, das Gespräch schleppte sich nur mühsam weiter und man empfand es allfertig

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_141.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)