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kaltes Lächeln zeigte seine großen gelben Zähne. Er sagte spitz und empfindlich:

„Sie scheinen wenig über dieses Herrn wahres Wesen unterrichtet zu sein, gnädiges Fräulein. Gerade gegen ihn und sein lichtscheues Wühlen könnte ich Hilfe gebrauchen!“

Emmy war sichtlich betroffen; sie antwortete rasch:

„Würden Sie wohl die Güte haben, uns das zu erklären, Herr Rektor? Das lichtscheue Wühlen ist mir wirklich vollkommen unverständlich.“

„Zwei Worte genügen; dieser Herr Hammer, dem es, wie ich mit Bedauern sehe, gelungen ist, sich auch in so distinguierte Kreise einzuschleichen, ist ein Feind unseres ritterlichen Kaisers und seines großen Kanzlers, ein Feind der Religion, des Eigentums und der Familie.“

In Marthas Augen zuckte es flüchtig auf; Leontine lächelte mit überlegener Ironie, von Emmys Lippen kam das helle, fröhliche Lachen eines Kindes.

„Aber, Herr Rektor, Sie verlangen doch nicht etwa, daß ich all diese schrecklichen Anschuldigungen so ohne weiteres für erwiesen ansehen soll? Um ein paar kleine Details muß ich Sie schon bitten, denn die Männer sind ja immer geneigt, ihre politischen Gegner auch zugleich für ganz schlechte Kerle zu halten.“

„Sie sollen zehn Beweise für einen haben, gnädiges Fräulein. Vor ein paar Wochen wurde in unserer nächsten Nähe die Kaiserjagd abgehalten. Es war schon lange mein innigster Herzenswunsch gewesen, den greisen Heldenkaiser einmal in meinem Leben von Angesicht zu Angesicht zu sehen; ich trommle also meine Knabenkapelle zusammen, miete einen Omnibus und fahre nach dem Jagdschlosse, vor dem wir uns aufstellen. Seine Majestät kommen aus dem Walde, grüßen sehr leutselig die kleinen Musikanten, die „Heil dir im Siegerkranz“ anstimmen, und mich, und gehen ins Schloß, um sich umzuziehen. Bald darauf kommen Seine Majestät im Jagdanzug zurück und reden mich an. Ich wurde gefragt, woher wir kämen, wieviel Kinder die Stadtschule habe, ob ich gedient hätte, und Seine Majestät geruhten dann zu bemerken, daß ich ja meinen Orden an einem falschen Bande trüge; das war in der That der Fall — ich hatte das richtige kurz vorher bei einem Festzuge verloren. Ich bat um die Gnade, noch ein paar Stücke spielen lassen zu dürfen; Seine Majestät gingen dann ins Schloß und bald kam der Bescheid, daß wir uns zurückziehen möchten. Ich erzählte abends im Ratskeller von diesem schönsten Ereignis meines Lebens, und der Herr Hammer, der mit einigen Feuerwehrleuten an einem Nachbartisch saß, zuckte nicht bloß, als ich sagte, daß wir berauscht heimgefahren seien, da wir das Schönste erlebt hatten, spöttisch die Achseln, sondern hat sich auch, wie ich später vom Wirt hörte, der ganz entsetzt darüber war, dahin geäußert, daß ihm die Befriedigung dieser Neugierde noch nicht einmal einen Weg von hundert Schritten wert sei und daß ihm der Duc de Broglie und der Signor Gambetta menschlich immer noch mehr interessierten,

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)