Seite:Ein verlorener Posten 132.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Leontine fragte im verbindlichsten Tone und so, als interessiere es sie aufs lebhafteste, zu hören, welche Erfolge der allezeit streitbare Herr Rektor im Kulturkampfe errungen habe:

„Wie sind Sie in den letzten Monaten mit den Fortschritten Ihrer beredten Propaganda für den Reichskanzler und die Excellenzen Falk und Eulenburg zufrieden gewesen? Ist der Geist der Bevölkerung ein besserer geworden?“

„Ich darf wohl, ohne unbescheiden zu sein, sagen, daß ich nicht umsonst gewirkt und gekämpft habe. Würde ich nur einigermaßen unterstützt, so wäre der Sieg gewiß, aber ich stehe mit meiner schwachen Kraft, meinem ehrlichen guten Willen und mit meiner — ich darf wohl sagen heiligen — Begeisterung für Kaiser und Reich fast allein und finde überall nur Sympathien, aber keine werkthätige Förderung. Die Reichstreuen haben sich eben daran gewöhnt, zu glauben, daß ich alles vermag und mit allem allein fertig werde, und da legt sich denn die liebe Bequemlichkeit auf die faule Bärenhaut und denkt vertrauensvoll; Unser Storck wird das schon machen.“

„Ja, Herr Rektor,“ warf Leontine ein, „haben denn die Leute damit nicht eigentlich ganz recht und ist dieses blinde Vertrauen nicht ebenso ehrenvoll, als verdient? Es wird schwerlich noch ein Mann im Städtchen sein, dem die Gabe der Rede in nur annähernd gleichem Grade zur Verfügung steht, und dann sind Sie nun einmal die allzeit kampffreudige und schlagfertige Natur, deren Element der Streit der Geister ist.“

Der so arglistig gekitzelte Schulmonarch affektierte eine Bescheidenheit, die ihm sehr fremd war. Er erwiderte mit einem Tonfall, der an das behagliche Knurren eines Katers erinnerte, dem eine weiche Hand das Fell kraut:

„Sie sind zu gütig, gnädige Frau, und überschätzen meine Verdienste. Es ist ja wahr, ich bin, gottlob, nicht leicht müde zu machen und fechte den großen Kampf zur Not auch allein durch, aber man hat soviel Perfidie und Bosheit zu Boden zu schlagen, daß man sich doch zuweilen nach einem Bundesgenossen umsieht, der mit in die Bresche springt.“

Emmy, die das Gespräch halb verfolgt hatte, sagte arglos:

„Warum schließen Sie nicht ein Schutz- und Trutzbündnis mit Herrn Hammer? Das ist doch gewiß ein kenntnisreicher, gebildeter junger Mann, an dem Sie eine gute Hilfe hätten.“

Der Rektor sah sie betreten an; er wußte ersichtlich nicht, ob sie sich einen sehr unziemlichen und übermütigen Scherz mit ihm erlaubte oder ob dieser Vorschlag von einem arglosen und ahnungslosen Kinde gemacht wurde. Marthas Spannung auf die Antwort war größer als ihre Scheu, sich durch eine befremdliche Teilnahme zu verraten; sie ließ unwillkürlich die Arbeit sinken und heftete ihre dunklen Augen auf den Rektor, während Frau v. Larisch das Gespräch infolge dieser Wendung doppelt fesselnd zu finden schien. Des Rektors Gesicht verfinsterte sich und ein böses,

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_132.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)