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Premierlieutenant, Verwundungen, die nicht durch Kugel oder Klinge erfolgen, sind unerwünscht und es klebt ihnen immer ein Makel an?“

Der junge Offizier gab keine Antwort; er dachte an die schmale, rote Spur, die sich seit der Nacht, welche dem Geburtstag Fräulein Emmys folgte, quer über sein Gesicht zog, und in leidenschaftlicher Erregung schloß er die Rechte um den Säbelgriff und biß sich auf die Lippe. Der Rittmeister hielt es unter solchen Umständen für das beste, das Gespräch zu beenden, damit es nicht am Ende eine bedenkliche Wendung nahm. Er wendete sich an den Premierlieutnant und sagte gemessen und Wolfgang ignorierend:

„Hinunter müssen wir aber doch reiten und dem Herrn Kommerzienrat unsere Aufwartung machen?“ Der Premierlieutenant nickte, und auf des Rittmeisters Kommandoruf ritt die Schwadron dem Städtchen zu. Die beiden Offiziere hatten Wolfgang in jener nachlässigen Weise gegrüßt, durch die man so gut eine gewisse Geringschätzung ausdrückt; er lächelte ironisch und rückte nur leicht seinen Hut, und in dem Blick, den er der im Sonnenlicht glitzernden Schwadron nachsandte, lag der Ausdruck des reinsten Triumphs.

In einem Gasthaus an der Straße kehrte er ein; er fühlte sich totmüde; seine Kniee zitterten, als er sich niederließ, und während er ein paar Bissen zu essen versuchte, sank sein Kopf auf den Arm, den er auf die Tischplatte gelegt hatte, und bleischwer schlossen sich die Lider über den brennenden, schmerzenden Augen. Er hörte nichts davon, daß die Schwadron auf dem Rückweg vorüberritt, und es war ziemlich ein Uhr, als er erwachte. Wie es uns häufig geht, wenn wir starke und anhaltende Aufregungen durchzumachen hatten, war auch über unsern jungen Freund eine völlige Apathie gekommen, und er sah der endlichen Entscheidung, an deren Schwelle er jetzt stand, mit unsäglicher Gleichgültigkeit entgegen.

Der Empfang, welchen ihm der Kommerzienrat bereitete, überraschte ihn aber doch. Herr Reischach war allein und sein Gesicht hatte weder einen mürrischen, sauertöpfischen, verkniffenen, noch einen forciert feierlichen Ausdruck; mit einem Anflug von jovialer Kordialität kam er Wolfgang entgegen und hielt ihm die Hand hin:

„Sie bleiben natürlich, Herr Hammer, und die Fabrikordnung wird nach den Wünschen der Arbeiter geändert; ich habe die Husaren, die auf ein Telegramm der Station hinausgesandt waren, wieder weggeschickt und euch mit dem Bürgermeister alles in der Weise arrangiert, daß die dumme Geschichte in der Hauptsache vertuscht wird und keine unangenehmen Folgen für die Krawaller hat. Es ist doch am besten so. Sie haben recht; aber daß Sie ein so desperater Mensch sind und mir ohne weiteres den Stuhl vor die Thüre würden setzen, hätte ich doch nicht gedacht. Nun, mit den Jahren wird man ruhiger, das werden Sie sehen.“

Die reine Freude, mit der Wolfgang dem Kommerzienrat für seinen Entschluß dankte, würde eine starke Trübung erfahren haben, hätte er gewußt, daß die Bonhomie seines Chefs nur Maske und sein eigentliches

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_121.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)