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treten, hat er den Herrn Hammer engagiert, der mehrere Jahre in Manchester eingestellt war und die Verhältnisse dort und alle Bezugsquellen sehr genau kennt. Papa kann ja nicht englisch, der alte Weinlich hat nur die gewöhnliche Comptoirroutine und versteht es meisterlich, Papa um den Bart zu gehen, — sonst ist er das Gegenteil eines Genies und die jungen Leute bringen aus den Handelsschulen neben argem Dünkel nur ein paar Brocken mit, mit denen sie nichts rechtes anzufangen wissen und die hinten und vorn nicht zureichen. Sonst weiß ich nichts über den Herrn, der das seltene Glück hat, von Dir protegiert zu werden, wir können ja aber nachher Papa anbohren — wenn von seinem Engländer die Rede ist, kommt er ordentlich in Feuer und wird sofort mitteilsam.“

Da mischte sie sich zum erstenmal Modesta ins Gespräch und sagte: „Ich bin zufällig auch im stande, einen kleinen Beitrag zur Charakteristik des Herrn Hammer zu liefern, da Leontine ein frisches Interesse für ihn an den Tag legt. Er hat ein gutes Herz, er ist wohlthätig und er ist es, was mehr sagen will, in aller Stille. Ich war dieser Tage einmal bei der Frau Berthold, die ja viele Jahre bei uns gedient hat, weil ich hörte, daß sie krank sei. Die Leute haben viele Kinder und einen alten, ganz hinfälligen Vater zu ernähren, und da der Mann sich kürzlich in der Fabrik die Hand erheblich gequetscht und statt des Wochenlohnes nur das knappe Krankengeld bezieht, so waren sie recht kümmerlich daran. Während ich mir das von Frau Berthold erzählen ließ, kam der eine Bube, ein hübscher, sonnenverbrannter Flachskopf mit großen, offenen, graublauen Augen, ganz echauffiert angetrabt und rief ins Zimmer: „Mutter, Mutter — ich habe ein Stück goldenes Geld!“ Und vorsichtig öffnete er über dem Bett der Mutter die kleine, braune krampfhaft geschlossene Faust und ein Zehnmarkstück fiel auf die Zudecke. Der Kleine war in der Fabrik gewesen, um sich bei dem alten, gutmütigen Portier zu erkundigen, ob er nicht einmal wieder einen Arm voll Holz bekommen könne; „der Herr, der bei der Feuerwehr den roten Busch auf dem Helm trägt,“ war dazu gekommen, hatte ihn freundlich gefragt, wer er sei und dann mit dem Portier gesprochen. Als er nachher schon wieder nahe an der Stadt war, war ihm der Herr entgegengekommen, hatte ihm das Geld gegeben und ihm gesagt, er solle es ja nicht verlieren und seinen Eltern einfach sagen, ein fremder Herr hätte es ihm geschenkt. Darauf hat der Kleine dreist erwidert: „O, ich kenne Sie — Sie haben Sonntags einen blanken Helm mit einem feuerroten Busch auf!“ Der Herr hatte gelacht und war davon gegangen.“

Fräulein Emmy war ein wenig gerührt und sehr erstaunt über die lange „Rede“, sie fragte neugierig: „Du kennst ihn also nur par renommée?“

Martha lächelte, aber es war, als werde ihre sonstige Sicherheit durch einen Hauch von unerklärlicher Befangenheit getrübt, als sie erwiderte: „Nein, ich habe sogar schon mit ihm gesprochen und kann versichern, daß er durch Takt und Gewandtheit jedem Salon Ehre

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_12.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)