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legte einen fast trotzigen Nachdruck auf jedes Wort), „daß ich in Ihrem Namen die Fabrikordnung zurückgenommen habe.“

„Wa—was?“ fuhr der Fabrikherr aus, als könne er seinen Ohren nicht trauen. „Sie hätten wirklich — machen Sie keine schlechten Späße, Herr Hammer, ich bin durchaus nicht zum Scherzen aufgelegt. Sie erlaubten sich einen sehr unpassenden Scherz? Ja oder nein?“

„Nein; und die ganze Angelegenheit ist eine so ernste, daß auch Ihnen der Gedanke an einen Scherz völlig ausgeschlossen erscheinen sollte.“

„Wohl, was Sie mir da zumuten, ist aber doch heller Wahnsinn; haben Sie denn auch nur eine Sekunde lang geglaubt, ich würde mich durch diese Komödie bestimmen lassen, nachzugeben? Dann kennen Sie mich sehr wenig; ich werde das von Ihnen eigenmächtig Vereinbarte niemals gutheißen.“

„Vielleicht doch, Herr Kommerzienrat, wenn Sie erst alle in Erwägung zu ziehenden Faktoren kennen. Sicherlich können Sie erklären, daß ich auf eigene Faust und Verantwortung und ohne Ihre Autorisation gehandelt habe, aber ich bilde mir noch immer ein, daß Sie doch Bedenken tragen werden, den eben erst beigelegten Konflikt wieder aufleben zu lassen, denn — wenn Sie nicht gutheißen, was ich vereinbart habe, so ist es für mich ein Gebot der einfachsten Ehrenhaftigkeit, mit dem nächsten Eisenbahnzuge M. zu verlassen, und ich rühre bis dahin keine Feder mehr an.“

„Also zwingen wollen Sie mich, Herr?“ brauste der Kommerzienrat auf, und die Zornader auf seiner Stirn war hochgeschwollen. „Und wenn ich Sie nun gehen lasse, um nicht, sowohl den Arbeitern als Ihnen gegenüber, allen Respekt einzubüßen?“

„Ich bin auf alles gefaßt und sehe Ihrem Entschluß mit großer Ruhe entgegen. Was ich gethan habe, wird mir immer als durch meine Menschenpflicht geboten erscheinen. Ich würde es mir nie vergeben können, hätte ich es zu einem Blutvergießen wegen einer Fabrikordnung kommen lassen, die Sie selbst nicht billigen konnten, und die ich abscheulich fand; andererseits war die Gefahr eines Gemetzels in die bedrohlichste Nähe gerückt, denn ich sah Sie unbeugsam und von verhängnisvollen Einflüssen beherrscht, und die Arbeiter waren zu gewaltsamer Abwehr entschlossen und gerüstet. So habe ich denn beiden Teilen zu dienen geglaubt und wenn ich den gutgemeinten Versuch mit meiner Stellung bezahlen muß, so wird mich das im vorliegenden Falle wenig anfechten und ganz gewiß nicht irre an mir selber machen. Ich will Sie nicht drängen, Herr Kommerzienrat, überlegen Sie die Angelegenheit, die nun doch noch etwas komplizierter geworden ist, in Ruhe und geben Sie mir um ein Uhr Ihre Antwort. Ich verzichte absichtlich darauf, dem Vorstellungen des Herrn Bürgermeisters und meines menschenfreundlichen Kollegen die Wage zu halten, nur darum bitte ich Sie, meinen Entschluß als einen unwiderruflichen anzusehen. Es ist nicht meine Art, derartige Erklärungen abzugeben und sie später zurückzunehmen.“

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)