Seite:Ein verlorener Posten 118.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bedingung, daß der Platz binnen fünf Minuten geräumt ist und daß die Arbeit nach Tische wieder aufgenommen wird. Veranlassen Sie so schnell als möglich das weitere — jede Minute Zeitverlust kann sich bitter rächen“.

Er hatte die Worte herb und scharf herausgestoßen und bleich und düster erwartete er die Wirkung seines gewagten Schrittes. Aber die Arbeiter schienen nicht sehr geneigt, ohne weiteres seiner überraschenden Mitteilung Glauben zu schenken und sich zurückzuziehen. Man zauderte und einer sagte endlich in halb entschuldigendem Tone:

„Ihr Wort in Ehren, Herr Hammer, aber das muß uns der Herr Kommerzienrat persönlich wiederholen; wir wollen uns nicht an der Nase herumführen lassen, und wer bürgt uns dafür, daß man Sie, nachdem man seinen nächsten Zweck erreicht hat und uns los geworden ist, nicht einfach Lügen straft?“

„Ich gebe Ihnen eine Bürgschaft — mein Wort. Genügt es nicht?“

„ Es genügt, Herr Hammer!“ erwiderte ernst und mit einem forschenden Blick der junge Rheinländer. Dämmerte ihm eine Ahnung von dem eigentlichen Zusammenhange aus? „Sie, das weiß ich, ertrügen unsere Verachtung nicht — Sie machen sich nicht zum Werkzeug einer Lüge. Wir erfüllen, nachdem man unsere Forderung bewilligt hat, unser Versprechen: in zwei Minuten ist kein Mann mehr auf dem Platze und — die Husaren werden keine Arbeit finden,“ fügte er, bedeutsam betonend, hinzu.

Wieder ließ er sich auf die Tonne heben — ein donnerndes, triumphierendes Beifallsgeschrei beantwortete seine Eröffnung. Mit bewunderungswürdiger Schnelligkeit und Disciplin, die Wolfgang einen Begriff von der Ernsthaftigkeit und Planmäßigkeit des Widerstandes gab, auf den die Husaren gestoßen wären, verließ die Menge den Platz, und nach Minuten schon lag er leer und öde im Sonnenlicht und Wolfgang sah sich allein. Er atmete erleichtert auf, aber nur, um im nächsten Augenblick die Hand vor die fiebernde Stirn zu legen; er war nach allen Aufregungen der Nacht und des Vormittags einer Betäubung nahe. Aber er rüttelte sich mit einer energischen Willensanstrengung aus derselben auf; er biß die Zähne aufeinander, als er auf die Fabrik zuging. Was ihm nun noch bevorstand, war ja der schwierigste Teil seiner Aufgabe, und wenn er das verwegene Spiel, mit dem er alles auf eine Karte setzte, verlor, wenn die Karte gegen ihn schlug, sah ihn schon der nächste Zug auf der Flucht vor der Verachtung derer, die seinem Wort vertraut hatten. War das sanfte, ernste Mädchengesicht, dessen Bild in diesem Augenblick vor seinem geistigen Auge auftauchte und den Blick traurig auf ihn heftete, schuld an dem stechenden Schmerz, den er bei diesem Gedanken empfand? Der Kommerzienrat kam ihm ungeduldig und erwartungsvoll entgegen:

„Sie sind ja ein Teufelskerl, Herr Hammer; daß Sie das fertig bringen würden, hätte ich nimmermehr gedacht. Wird die Arbeit nach Tische wieder aufgenommen?“

„Sicher — es ist alles geebnet, freilich nur dadurch“ (und Wolfgang

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)