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„Nein. Das thut auch der Kommerzienrat nicht. Er ist bereit, eine Deputation zu empfangen, die ihm die zu ändernden Punkte namhaft macht, und er ist bereit, das Reglement entsprechend abzuändern. Aber er knüpft dieses Zugeständnis an die Bedingung, daß bis 11 Uhr der Platz geräumt ist und daß um 1 Uhr die Arbeit ruhig wieder aufgenommen wird.“

„Das hätte vielleicht heute früh ausgereicht — jetzt ist es wohl zu spät. Aber geben Sie mir eine Frist von fünf Minuten.“

Wolfgang zog das Etui, bot dem jungen Manne eine Cigarre an, setzte selber eine in Brand und ging etwas abseits, um die Beratung in keiner Weise zu stören.

In dem Gesicht des Rheinländers zuckte keine Muskel, als er zurückkam. „Ich bedaure, Herr Hammer, es ist in der That zu spät. Wir sind unvermögend, wenn wir selbst wollten — und ich persönlich will allerdings nicht — auf Grund einer solchen Konzession hin die Leute zur Wiederaufnahme der Arbeit, oder auch nur zum Verlassen des Platzes zu bewegen. Die Polen besonders fangen bereits an, ungeduldig zu werden, — ginge es nach ihnen, so hätte der Sturm auf die Fabrik längst begonnen. Biegen oder brechen, ist jetzt die Alternative. Wir fürchten uns vor nichts.“

„Vor nichts? Sie sprechen dieses große Wort sehr gelassen aus. Wissen Sie auch, daß man drinnen fest entschlossen ist, an den Säbel zu appellieren und aus W. Husaren kommen zu lassen? Die Depesche liegt bereits auf dem Bureau, — spätestens um 11 Uhr wird sie expediert, und wie rasch das Militär hier sein kann, können Sie sich selber ausrechnen. Ich bin über diesen Entschluß erschrocken; ich habe ihn nach Kräften bekämpft, weil mir der Gedanke, die wehrlosen Menschen dem brutalen Gutdünken einiger Husarenoffiziere überantwortet zu sehen, schrecklich war und ist; ich habe mir eine weitere Stunde Frist behufs Unterhandlung mit Ihnen förmlich erbettelt und ertrotzt und ich hätte gewünscht, mit dieser Mitteilung, die doch immer einen Stachel zurücklassen wird, zurückhalten zu können. Wenn man es aber mit Ihnen zu thun hat, wird die längste Unterhandlung kurz, — das ist übrigens ganz nach meinem Sinn und man sieht sich bald gezwungen, seinen letzten Trumpf auszuspielen.“

„Ihre Drohung schreckt uns nicht. Mit den zwei Schwadronen, die in W. stehen, werden wir fertig. Es sind genug alte Soldaten unter uns, denen die Kavallerie am allerwenigsten imponiert. Wenn Sie sich umsehen wollen, werden Sie finden, daß wir von Anbeginn auch auf diesen Fall gefaßt waren und den einzigen Zugang für die von W. kommenden Husaren bereits durch einige ziemlich einfache Hindernisse nahezu unwegsam gemacht haben. Ein Steinhagel ist unter Umständen sehr wirksam und an Munition fehlt es nicht, da der Hof großenteils aufgerissen ist, um neu gepflastert zu werden. Lassen Sie Ihre Husaren nur herankommen — für warmen Empfang ist gesorgt.“

„Wollen Sie sich nicht begnügen, zu sagen: Die Husaren? Ich

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_113.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)