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jedoch nicht dulden, daß man aus so windigen Motiven den zum Schlag ausholenden Arm des beleidigten Gesetzes lahm legt.“

Der Herr Bürgermeister kam sich in diesem Moment jedenfalls sehr erhaben vor, und das feine Lächeln, welches sein gewaltsames Pathos auf Wolfgangs Lippen rief, reizte ihn so, daß er beschloß, sich weitere Einreden dieses kecken, alle Autorität instinktiv negierenden jungen Mannes nachdrücklich zu verbitten. Weinlich sah Wolfgang von der Seite an, als bedaure er, ihn nicht mit einem Blick vergiften zu können; der Kommerzienrat trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte und fragte unwirsch und heftig:

„Darf man fragen, welchen anderen Ausweg Herr Hammer vorzuziehen beliebt? Ich kann nicht glauben, daß Sie die versteckte Parteinahme für diese Undankbaren so weit treiben werden, uns hier, aufs ungewisse hinaus, in der Gefangenschaft zu erhalten, und es giebt keine Rettung, als — Husaren.“

„Doch, Herr Kommerzienrat, es giebt noch ein Mittel und dieses sollte nicht unversucht bleiben. Uebertragen Sie mir die Verhandlung mit den Leuten, geben Sie mir eine Stunde Zeit, und wenn es mir bis dahin nicht gelungen ist, sie vom Platze zu entfernen, so — mögen Sie thun, was Sie nicht lassen können.“

Der Bürgermeister gab dem sichtlich überraschten Kommerzienrat einen abmahnenden Wink mit den Augen; es lag ihm viel daran, daß keine weitere Verschleppung entstand. Weinlich aber, der vor Verlangen brannte, sich an dem „aufsässigen Volke“ zu rächen, sagte höhnisch:

„Ich werde mich natürlich nie unterstehen, dem Herrn Kommerzienrat Vorschriften machen zu wollen, aber Ihr zartes Mitleid mit diesen Aufrührern scheint mir denn doch an sträfliche Parteinahme zu grenzen. Schlimm wird es ja auf keinen Fall; wenn sie die Husaren nur von weitem sehen, geht es an ein Laufen und Rennen, und ein paar Blutstropfen werden Ihre Nerven doch nicht gleich affizieren — der Anblick meines Blutes schien Sie wenigstens sehr kalt zu lassen.“

„Wenn aber die Leute nun standhalten, wenn es nicht bei ein paar Tropfen Blut bleibt? So ein paar überrittene und von den Hufen zertretene Greise, die nicht schnell genug laufen und rennen können, so ein paar klaffende Schädel scheinen Ihnen den Aufschub von einer Stunde nicht wert? Ich habe mehr als ein Schlachtfeld gesehen und ich thue Ihnen die, vielleicht unverdiente, Ehre an, zu glauben, daß Sie nach dem Zusammenstoß wünschen würden, Ihre Husaren wären geblieben, wo sie waren und Sie hätten sich mit dem Telegraphieren etwas Zeit genommen.“

Der Kommerzienrat schwankte; er war im Grunde eine friedfertige Natur und der Gedanke an Blut reichte hin, ihm Uebelkeit zu verursachen. Wolfgang benutzte dieses Schwanken und sagte in dringendem Tone:

„Ich habe, seit ich bei Ihnen bin, noch nie eine Bitte an Sie gerichtet, und werde schwerlich je eine Bitte aussprechen. Schlagen Sie

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)