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waren, die absolut nicht geduldet werden können. Die Herrschaften haben gefunden, daß dieses Reglement ihren Mannesstolz und ihre Menschenwürde verletze, es hat sich eine vollständige Verschwörung gebildet und heute früh fängt niemand an zu arbeiten, sondern die Leute sammeln sich auf dem Hofraum, halten Rat und schicken eine Deputation ins Comptoir, die mit dürren Worten die Zurücknahme der Fabrikordnung fordert. Haben Sie gehört, Herr Hammer? Fordert, nicht etwa erbittet! Unerhört geradezu!“

„Und darauf hat Herr Weinlich die Leute bedeutet, daß sie wiederkommen möchten, wenn Sie da seien, da er keine Entscheidung treffen könne?“

„Erlauben Sie, Herr Hammer, das wäre sehr wenig nach meinem Sinn gewesen. Er hat ganz nach meinen Intentionen gehandelt, indem er den Kerlen gehörig den Kopf wusch, ihnen mit Entlassung der Rädelsführer drohte und sie bedeutete, daß an eine Zurücknahme oder auch nur Milderung der Fabrikordnung jetzt gar nicht zu denken sei, da ich sicher sehr erzürnt über ihre Dreistigkeit sein würde. Er hat durch einen Boten sofort den Herrn Bürgermeister benachrichtigt, der sich unverzüglich mit seinen beiden Dienern hierher begab und auf dem Platze ankam, als ich mich eben ins Comptoir verfügt hatte.“

„Ohne irgendwie molestiert worden zu sein, nicht wahr?“

„Nun, das fehlte noch, daß man sich sogar an mir vergriffe — was fällt Ihnen ein, Herr Hammer? Weinlich ließ es sich nicht nehmen, dem Herrn Bürgermeister entgegen zu gehen, und er beging nun die kleine Uebereilung, den Polizisten die Leute zu bezeichnen, die als Rädelsführer graviert waren und von denen einige verhaftet werden sollten; das sollte nach des Herrn Bürgermeisters Absicht nur ein Schreckschuß sein, aber die Idee läßt sich nicht zur Ausführung bringen, denn man widersetzte sich, und als nun Weinlich in seinem Eifer für die Gesetzlichkeit den Polizisten behilflich sein wollte, war dies das Signal zu einem wüsten Handgemenge, das mich für das Leben aller fürchten ließ. Von allen Seiten fiel man mit wütendem Geschrei über sie her, entriß ihnen die Verhafteten und zwang sie zur Flucht nach dem Comptoir; der Herr Bürgermeister ist mit einem angetriebenen Cylinder weggekommen und auch die beiden Polizisten haben nur ihre Stöcke eingebüßt, dagegen haben sie den alten Weinlich dermaßen zerbläut, daß es mich nicht gewundert hätte, wenn ihm alle Knochen im Leibe zerbrochen wären.“

„Wohl ein Beweis, daß Herr Weinlich die Deputation durch überflüssig brüskes Wesen gereizt hat und daß man nebenbei weiß, aus wessen Feder die Fabrikordnung geflossen ist.“

„O, dafür hat Weinlich selber gesorgt, er hat ihnen ins Gesicht gesagt, daß er die Fabrikordnung entworfen habe, daß er sich darauf sogar etwas einbilde und daß er seinen ganzen Einfluß bei mir aufbieten würde, damit ich fest bliebe und ihnen nicht etwa aus Gutmütigkeit Konzessionen machte, die sie nicht verdienten.“

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_108.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)