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wie Ironie in ihre weiche, helle Stimme zu legen) die Herren so sichtlich begünstigt, daß Deine Verlobung bald mit dem, bald mit jenem von ihnen wiederholt mit aller Bestimmtheit vorausgesagt wurde.“

„Wie die Ereignisse bewiesen haben, stets mit Unrecht; Du hättest gerade nicht nötig gehabt, Wert auf diese leichtsinnig ausgestreuten Gerüchte zu legen, von denen Du doch weißt, wie sie entstehen. Es braucht noch gar keine Kaffeegesellschaft gehalten zu werden, es brauchen nur zwei junge Damen in einem Dämmerstündchen die blonden oder braunen Köpfchen zusammenzustecken, wie wir es jetzt thun, und es ist eine neue Verlobung so gut wie proklamiert und wandert als Thatsache von Mund zu Mund, natürlich unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit.“

„Nun ja, ich will es gerne glauben und Du brauchst nicht gleich böse zu werden, aber ich muß noch einmal fragen: Was haben Dir die Offiziere gethan?“

„Ich denke, Kind, wir lassen das; es würde nichts dabei herauskommen. Jedes junge Mädchen aus guter Familie hat eine Periode, in der die Herren mit den blanken Knöpfen, den buntgeränderten Teller-Mützen und der näselnden, affektiert-nachlässigen Sprechweise ihr als Ziel aller Wünsche vorschweben, besonders aber die von der Kavallerie, und zwar je nach dem individuellen Geschmack Husaren, Dragoner, Ulanen oder Kürassiere. Dieser Geschmacksverirrung entrinnen sie so wenig wie zehn Jahre früher den Kinderkrankheiten, doch bleibt sie gleich diesen meist ohne Folgen und man erinnert sich ihrer mit einem Achselzucken. Ich habe diese Periode, wie ich ohne weiteres zugebe, ebenfalls durchzumachen gehabt, aber jetzt, meine liebe Emmy, suche ich Männlichkeit, adeligen Sinn, wahren Mut und Zartgefühl überall anders eher als bei den Offizieren und habe für die recht schablonenhaften und recht durchsichtigen Künste der Herren nur noch ein leichtes Achselzucken und ein spöttisches Lächeln. Ich wünsche um Deinetwillen, daß Du zu der gleichen Ueberzeugung gelangst und daß Du die Erkenntnis weder zu spät erwirbst, noch um einen höheren Preis als ich.“

Die Angeredete, die erst ein wenig ungeduldig hatte werden wollen, hat sich dem Eindruck des ruhigen Ernstes, mit dem jenes Bekenntnis abgelegt ward, um so weniger zu entziehen vermocht, als sie gewohnt war, sich der um fast zehn Jahre älteren mütterlichen Freundin, der jungen Witwe eines pensionierten Dragonerobersten, die in der Kreisstadt im Hause eines Schwagers, eines höheren Beamten, lebte und ein häufiger und immer gern gesehener Gast im Reischachschen Hause war — oft auf Wochen —, ihres Scharfsinns, ihrer Welterfahrenheit und ihrer vielseitigen Bildung halber ohne langes Ueberlegen gläubig unterzuordnen und ihre Ueberlegenheit als unbestreitbar anzusehen. Sie ist nachdenklich geworden und hat den blonden Lockenkopf in die Hand gestützt; über das sorglose, heitere, rosige Kindergesicht (eins von denen, für die es, weil ihnen die geistige Beseelung und der individuelle Ausdruck fehlen, die unverwüstlich sind, immer gefährlich ist, wenn das

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_07.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)