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Aber auch zahllose Ruinen und andere Spuren der Verwüstung geben der jedes fröhliche Leben entbehrenden Stadt Patan ein unsäglich melancholisches, wenngleich überaus malerisches Gepräge. Der früher den Newari-Tempeln zugehörige und für ihre bauliche Instandhaltung dienende Landbesitz wurde von den Gorkhas eingezogen und blieb nur für die dem Gorkhakultus dienenden Hindu-Tempel bestehen. Doch darf man ebensowenig hier wie in den anderen nepalischen Städten die zur Unterkunft von Mönchen und Pilgern dienenden Wiharas, deren es in Patan über hundert gibt, mit zu den Tempeln zählen, obgleich auch ihre Dächer häufig in dieselben glockenförmigen Knopfspitzen auslaufen, wie die der Newari-Tempel; sie haben jedoch nicht den dreizackigen Spieß, das Attribut Mahadeos, zur Seite, der auf den Tempeln nicht zu fehlen pflegt, oft genug aber bei der Zerstörung der Stadt ebenso geplündert worden ist, wie die zahlreichen bei jedem Windzug erklingenden Metallglöckchen und andere als Opfergaben unter den Rändern der vorspringenden Dächer aufgehangenen Bronzegeräte. Die Hauptglocke jedoch, an der jeder Newari seinen Tempelbesuch und das Darbringen seiner Opfergabe durch Anschlagen mit einem Knüppel kundzutun hat, hängt unbeweglich in einem neben dem Tempel stehenden Gerüst, wie dies besonders deutlich auf meiner Darstellung des Deo Falk-Tempels ersichtlich ist.

Marktplatz am Deo Talli-Tempel in Patan.[WS 1]

Tempelruine in Patan.
Links schlägt eine Frau Wäsche, rechts von ihr Newari-Kinder.

Von den zahlreichen, einst von glaubenseifrigen Pilgern belebten Wiharas dienen jetzt kaum noch zehn ihren eigentlichen religiösen Zwecken, die anderen hundert sind zu Kaufmannsgewölben und Wohnungen umgewandelt, jedoch unter Innehaltung der indischen Einfamiliengewohnheit, so daß also 30—40 miteinander verwandte Kaufmannsfamilien in demselben Gebäude um einen gemeinschaftlichen Hof herum wohnen, der, wie es mir wenigstens vorkam, wohl seit Uranfang nie gereinigt worden ist; es schüttelt mich noch jetzt, wenn ich an den Anblick und Geruch dieser Brutstätten von Miasmen und Pestilenzen zurückdenke!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Deo Talli-Tempel: vergleiche Degutale-Tempel
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/344&oldid=- (Version vom 2.7.2018)