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viel Geld für militärische Zwecke sparen würde, wenn nicht die höheren Offizierstellen ganz fabelhaft hoch honoriert würden. Freilich sind diese Gehälter nicht festgesetzt, sondern hängen ganz von Gunst und Laune des Premierministers ab, der auch dafür sorgt, daß nur diejenigen höher als zum Obersten aufsteigen, die mit ihm verwandt oder verschwägert sind. Bei plötzlichem Geldmangel in der Kasse des Maharadschah erleiden diese fürstlichen Gehälter deshalb oft plötzliche und beträchtliche Abzüge; ebenso erwähnenswert ist wohl auch, daß in Nepal ein Oberst drei Regimenter zu kommandieren pflegt. Die Dienstpflicht ist allgemein, und die Männer sind leidenschaftliche Soldaten, so daß Nepal jeden Augenblick 60–70 000 kriegstüchtige Leute zur Stelle haben kann. Das wissen die Engländer ebensowohl, wie sie die furchtbaren, natürlichen Hindernisse kennen, die es den Nepalern ermöglichen würden, ihre Unabhängigkeit zu bewahren, da diese sich im allerschlimmsten Falle unter Preisgabe von Klein-Nepal in die Gebirgslandschaften des westlichen Nepal verkriechen könnten.

Des Rätsels Lösung.

Die Straße steigt von Marku aus allmählich um etwa tausend Fuß, indem sie sich mit einem nach Norden gekrümmten Bogen in eine Talschlucht des zweiten Höhenzuges wendet, der Klein-Nepal von dem Katmandutal trennt, das nunmehr in seinem höher liegenden Teile merklich rauher und unfruchtbarer wird. Hier nun, etwa eine Stunde vor Tschitlong[WS 1], hatte ich das Glück, einem Aufzuge zu begegnen, den ich dreist als einen der seltsamsten Eindrücke meiner sämtlichen Indienreisen bezeichnen darf.

Ich hatte meinen Tragstuhl zu einer kleinen Reparatur in Marku zurücklassen müssen, und wie gewöhnlich zogen es die Kulis vor, zusammen ebenfalls zurückzubleiben, statt mich mit dem Gepäck zu begleiten; gegen solche Eigenmächtigkeiten ist in Nepal nichts auszurichten, man muß zufrieden sein, wenn die Leute schließlich am Ziel erscheinen.

Wie ich nun so einsam meinen Weg durch die dürftigen Reisfelder verfolgte, sah ich von einer hochgelegenen Stelle aus einen Menschenknäuel nach dem anderen aus einer fernen Schlucht des sich weiterhin wieder senkenden Weges heraus- und mir entgegenkommen. Ich trat etwas zur Seite und

verbarg mich ein wenig hinter einem stattlichen Felsblock; mit Freudebeben wurde

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Tschitlong: vergleiche Chitlang (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/312&oldid=- (Version vom 1.7.2018)