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den Schmerz der Ohnmacht empfinden, ja, es soll sogar weinen, wenn ihm, nachdem es eingefangen und zwischen zwei bereits gezähmten Elefanten angefesselt ist, Dutzende von sich ablösenden Menschen vierzehn Tage und Nächte lang auf dem mit einem Netz überzogenen Rücken herumtrampeln oder an seinem Rüssel auf und abturnen, während gleichzeitig unablässig Gewehre vor ihm abgefeuert und laut schallende Musikinstrumente zum Tönen gebracht werden. In Nepal wenigstens gilt dieses grausame Verfahren, Elefanten zu zähmen, als das am schnellsten wirksame.

Allmählich sammelte sich eine beträchtliche Menschenmenge um mich, die begierig war, endlich zu erfahren, was der unheimliche weiße Mann in ihrem Dorfe denn nun eigentlich wolle. Ich fühlte, daß der Ausgang dieses ersten Streites mit meinen Kulis verhängnisvoll für die ganze übrige Reise sein müßte, und war entschlossen, zurückzugehen, um, wenn es nicht anders möglich wäre, das zum Lagern Nötigste auf meinem eigenen Rücken an den von mir gewünschten Platz zu schaffen und so den Kulis zu zeigen, wessen Wille auf dieser Reise maßgebend sei.

Im Begriff, über den Straßengraben zu springen, um noch vor Einbruch völliger Nacht bei meinen ungetreuen Kulis zu sein, sah ich auf der Straße Staubwolken aufwirbeln. Fünf oder sechs riesige Doggen, von keuchenden Jägern in der phantastischen Tracht indischer Schikare[WS 1] mit aller Anstrengung zurückgehalten, versuchten auf mich loszuspringen, die mich umringenden Bauern und Kinder warfen sich mit Gebärden untertänigsten Schreckens der Länge nach in den Straßenstaub und machten zugleich einem heransprengenden Reiter Platz, einem noch jungen Mann mit indischen Gesichtszügen, dessen moderner, englischer Jagdanzug gar nicht übel zu seinem taubengrauen Turban paßte; ein stattlicher Dienertroß folgte dem blitzschnell herangekommenen Kavalier.

Das Bewußtsein, noch keinen Paß in der Hand zu haben, war mir ungemein fatal, denn meine einsame Erscheinung ohne alle Dienerschaft mußte einem asiatischen Fürsten wahrlich höchst befremdlich erscheinen. Ich begrüßte den hohen Herrn deshalb ohne weiteres mit der naiven Anfrage, ob er etwa meine widerspenstigen Kulis unterwegs angetroffen hätte, indem ich gleich hinzufügte, daß ich im Begriff sei, mit dankenswerter Erlaubnis des Durbars nach Katmandu zu reisen. Zum Glück verstand der Herr, ein Sohn des Maharadschah von Nepal, etwas Englisch. Er versicherte, bereits von mir und meiner Reise zu wissen, fand es aber doch sehr auffällig, daß ich nicht im Palki reise. Im Palki sehe ich ja nicht genug vom Lande! wollte ich sagen, biß mir aber auf die Zunge und sagte lieber, daß mir bei meiner Figur das Reisen in einem solchen Kasten zu unbequem vorkäme. Der nepalische Prinz war freilich hierüber ganz anderer Meinung; er hätte mit seinen anders gewöhnten Gelenken vielleicht sogar in einer Nußschale mit untergeschlagenen Beinen kauern können, ohne dabei etwas von Ungemach zu verspüren. Als ob ich hier bereits das Terrain für künftige Schlachtfelder studiert hätte, fragte

er mich, ob ich auch Zeichnungen gemacht hätte, und schien sehr befriedigt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Schikar: vergleiche Hunting; Shikar (Indian subcontinent) (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/296&oldid=- (Version vom 1.7.2018)