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daraus ab, und stieg dann in die willkommene Erfrischung, während der Samowar[WS 1] allerlei von der Gefahr nächtlicher Bäder in Indien zu brummeln schien. Mit dem erquickenden Gefühl, mich einmal wieder dem unvergleichlichen romantischen Wanderleben in Asien hingeben und abseits unserer herrlichen Kultur und übertünchten Höflichkeit als wissensdurstiger Mensch auf merkwürdigen, abgelegenen Pfaden ziehen zu dürfen, schlief ich ein. Die Kulis, in dünne Laken gewickelt, schnarchten am knisternden Feuer, Eidechsen und Käfer schnarrten und klapperten um die Wette, und Schakale heulten in der Ferne. Schon vor Tagesanbruch standen die Palankinträger mit ihrem Kasten vor meinem Zelt. Ich durfte dem Naik nicht zürnen, für dies landesübliche Transportmittel gesorgt zu haben, und da diese Palkis nun doch einmal bezahlt werden mußten, kletterte ich in meinen Kasten; Vorn und hinten hoben je drei Kahars die Tragstangen auf ihre Schultern, und in hurtigem Laufschritt trabten sie mit mir - in den nebligen dämmernden Morgen, in eine ungewisse, aber höchst reizvolle Zukunft hinein.

Des Verfassers Palki nebst Trägern.

Ich bin größer als Mittelmaß ausgefallen und lag deshalb in meinem Kasten wirklich nicht sehr bequem. Aber das geschah mir ganz recht! Ich hatte mich zu häufig über Palankins lustig gemacht, die mit zugeschobenen Türchen zur Bahnstation geschleppt wurden, weil ich wußte, daß eifersüchtige Hindus ihre Frauen auf diese Weise nicht nur bis in den Zug spedieren, sondern gleich in diesen Kästen in die Güterwagen schieben und an den Bestimmungsort schaffen lassen, während sie selbst sich auf den breiten Polstern der ersten Wagenklasse niedersetzen; gerade aus dem an der Station Segauli angeschlagenen Tarif konnte ich mich belehren, daß für jede auf diese Weise im Gepäckwagen mitgeführte Dame nicht nur eine Fahrkarte erster Klasse, sondern noch eine Rupie extra für den Verpackungskasten bezahlt werden muß, der galante Paladin also durch eine solche zarte Beförderung seiner Frau wenigstens keine Ersparnisse machen kann — und das freut mich nicht wenig!

Die Straße war ein so fabelhaft staubiger Karrenweg, daß ich wirklich froh war, nicht zu Fuß laufen zu müssen, andererseits war aber das Stoßen

und Schütteln des für mich viel zu kurzen Kastens auf die Dauer ganz unausstehlich. Wäre ich einen Fuß kleiner gewesen, dann hätte ich mich ganz

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Samowar: vergleiche Samowar
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/292&oldid=- (Version vom 1.7.2018)