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Büffelherde; der Treiber hat seinen Speisenapf aus Bronze über den Turban gestülpt.

Siebzehntes Kapitel.
Mein Eintritt in das verschlossene Land Nepal.

Ich muß gestehen, daß mich bei meinen früheren Wanderungen in der „Heimat des Schnees“ wie bekanntlich das Himalajagebirge auf deutsch heißt[WS 1], nichts so sehr verdrossen hatte, als daß es an den Gletschern des Kanschendschunga in Sikhim[WS 2] von seiten meines tibetischen Sirdars[WS 3] hieß: „Weiter nach Westen dürfen wir bei Todesgefahr nicht gehen, dort liegt Nepal!“ gerade so, wie einige Monate vorher am Nanda Devi[WS 4], dem mehr als 25 000 Fuß hohen Götterthron der Hindus in Kumaon meine Kulis an der jenseitigen, westlichen Grenze Nepals mit der Bemerkung gestreikt hatten: „Östlich von hier liegt das Land Nepal, da darfst du aber als Europäer natürlich beileibe nicht hinein!“ War es da ein Wunder, daß ich alles versuchte, um wohl oder übel in dies verbotene Land zu kommen?

Auf jeder meiner Indienreisen hatte ich aufs höflichste an den Toren dieses merkwürdigen Himalajakönigreichs Nepal, des merkwürdigsten Landes in Asien, angeklopft, ohne daß mir aufgetan wurde. Nepal hat sich klugerweise alles Herumreisen und jedes Überschreiten der Grenze von Europäern, die nicht eine ganz ausdrückliche Erlaubnis dazu haben, strengstens verbeten, und selbst die früher geduldeten Kapuziner-Missionare sind seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts wieder aus dem Lande verwiesen. Außer den englischen Gesandten hat Nepal bisher nur wenigen besonders bevorzugten Asienreisenden den Zutritt gestattet. Der erlauchteste dieser Reisenden war bekanntlich Prinz Waldemar von Preußen[WS 5], dem freilich die ungeheuren Strapazen seiner ausgedehnten indischen Studienreisen zum Keime eines frühen Todes wurden. Die westliche Hälfte dieses für Europäer immer strenger verschlossenen Staates hat jedoch noch niemals der Fuß eines Nichtasiaten betreten, und die dürftigen Kartenskizzen, die der englisch-indische Generalstab von diesem Lande besitzt, sind von indischen Panditspionen[WS 6] entworfen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Himalaja: vergleiche Himalaya (हिमालय, Wohnsitz des Schnees)
  2. WS: Kanschendschunga in Sikhim: vergleiche Kangchendzönga, Sikkim
  3. WS: Sirdar: vergleiche Sirdar (Bergsteigen)
  4. WS: Nanda Devi: vergleiche Nanda Devi
  5. WS: Waldemar von Preußen: vergleiche Waldemar von Preußen (1817–1849)
  6. WS: Panditspionen: vergleiche w:Pundit (Vermesser)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/286&oldid=- (Version vom 12.7.2018)