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Die Kaufleute, die Juweliere und Goldarbeiter haben ihre Läden zumeist auf der Hauptstraße, dem Tschandni-Tschauk oder Silberwege[WS 1]; da die Läden offen sind, kann man darin die nach unseren Gewohnheiten höchst unbequeme Art wahrnehmen, in der dort die Buchhalter zu schreiben pflegen. Auch hier klagten mir die Kaufleute über den beständig schlechter werdenden Geschäftsgang, da das indische Volk immer mehr verarme und keine Ersparnisse mehr machen könne, um sie in Gestalt von Schmucksachen aus edlen Metallen in die Hände ihrer sparsamen Hausfrauen zu legen. Für jemanden, der noch nicht lange in Indien ist, wird in Delhi besonders das Herumstreifen in Werkstätten der Goldarbeiter oder auch der Töpfer und die Erzeugung ihrer absonderlich geformten Gefäße eine fesselnde Augenweide bieten, nicht minder der Besuch des Platzes an der Dschuma-Moschee, wo die Kamel-Omnibusse aus allen Richtungen zusammentreffen, um ihre Bespannung zu wechseln; der obere Raum dieser seltsamen Wagen dient zur Aufname des Gepäckes und zugleich zur Abhaltung der Sonnenwärme von dem unteren Teile des Wagens.

Töpferwaren aus Delhi. 1/7.

Als dritte im Bunde dieser einst unermeßlich reichen, nunmehr verfallenden Hauptsitze des Islam kann Ahmedabad gelten, das bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts wohl den bedeutendsten Stapelplatz Indiens und Austauschplatz aller Erzeugnisse Asiens bildete. Wer freilich bereits die weit lebhafter in die Augen springenden Baudenkmäler Delhis und Agras gesehen, wird selbst von der Hauptmoschee Ahmedabads, die durch ihre zahllosen, in den verschiedensten Mustern ausgemeißelten Pfeiler berühmt ist, ebensowenig noch überrascht werden können wie von den schlichten, höchstens mit seiner Zierleiste aus Perlmutter geschmückten Marmor-Sarkophagen, die an die Kinder und Gemahlinnen Ahmeds und seiner Nachfolger erinnern, jedoch ohne deren Namen auf die Nachwelt zu bringen oder sonst eine Inschrift zu tragen. Der Islam verschmäht angesichts des alle gleichmachenden Schicksals derartige Verzierungen der Grabstätten, und zieht es vor, auf den Gräbern der Frauen eine leere Schreibtafel, auf denen ihrer Gatten aber einen schreibschriftähnlichen Stab

anzubringen, um anzudeuten, daß das Weib von Natur einem unbeschriebenen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Tschandni-Tschauk/Silberweg: vergleiche Chandni Chowk (en), wörtlich eigentlich: Platz des Mondlichts, das Hindi-Wortspiel liegt in chaandanee (Mondlicht) und chaandee (Silber)
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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/207&oldid=- (Version vom 1.7.2018)