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worden, den Rietschel als Vorbild zu dem Kolossalkopfe der Statue in Lebensgröße modelliert hat. Der Kopf ist leicht behandelt und die Ausführung ist nicht bis in das Kleinste geführt, die Auffassung ist aber vortrefflich und läßt kaum etwas zu wünschen übrig ...

5) Sonntag ... Wir hören mit größter Spannung die Oper [Tannhäuser], deren Schönheiten unleugbar sind, aber nicht nur von seiten der Darstellenden, sondern auch von seiten der Zuhörer eine große Anstrengung erfordern, um gegeben und empfangen werden zu können. Ludwig singt und spielt vortrefflich und wird durch großen Beifall belohnt. Frau Jachmann-Wagner, die, weil die Stimme nicht mehr ausreicht, von nun an dem Gesang entsagen und dem Schauspiel sich widmen will, wirkt immer noch durch ihre schöne Erscheinung und ihre Gesangsweise. Man nimmt hier in Dresden, wo sie früher an der Seite ihres Onkels Richard Wagner ihre größten Triumphe feierte, immer noch großen Antheil an ihr und belohnt ihre Leistung mit großem Beifall. Ludwig hat ein großes und wichtiges Stück Arbeit und Anstrengung hinter sich. Nach dem heute kundgegebenen Beifall darf man annehmen, daß die Gelegenheit, in Tichatschecks Hauptrollen aufzutreten, ihm großen Gewinn gebracht hat ...

9) Donnerstag. Christi Himmelfahrt ... 1/2 6 Uhr gehe ich mit Malvina in das Theater, wo heute Tannhäuser wiederholt wird. Die Aufführung ist vielleicht schöner[WS 1] als die am vergangenen Sonntag. Jedenfalls beherrscht Ludwig seine Partie noch mehr als bei der letzten[WS 2] Aufführung. Das Publikum ist jedoch ziemlich kalt, wenn auch zahlreich versammelt. Die Begeisterung scheint sich nach dem Thiergarten gezogen zu haben, der heute eröffnet worden ist ...

10) Freitag ... Ich halte mich fleißig an einer dritten[1] Zeichnung für Ludwig, in welcher er in seiner Rolle als Gennaro[2] dargestellt wird. Diese Zeichnung wird noch die beste von den bisher gelieferten werden.

14) Dienstag ... Heute ist der zweite Auktionstag der Galeriebilder und ich verfüge mich in das alte Galeriegebäude, um zu sehen, wie die Geschäfte gehen. Gestern sind gegen 1200 Thaler eingegangen und auch heute verkaufen sich die Sachen ganz gut. Herr von Savigny, der unter den Käufern, spricht mich an und ladet mich zum Mittagessen für heute 6 Uhr ein ... Um 6 Uhr verfüge ich mich in das preußische Gesandtschaftshotel. Ich finde eine kleinere Gesellschaft, unter welcher Herr von Langenn, Fürst Lichnowsky, Oberst Törmer, Gruner sich befinden. Schon bei Tafel bringt von Savigny die Rede auf das Lutherdenkmal, wobei es Erörterungen giebt, die an das Gebiet des Religiösen streifen. Nach Tisch und namentlich nachdem die meisten der Gäste sich entfernt haben und endlich außer den Wirthen nur noch Fürst Lichnowsky, der Geistliche, mit mir allein zurückgeblieben ist, wird das Gespräch entschieden auf das Gebiet des Konfessionellen übertragen, und ich sehe mich veranlaßt, meine religiöse Ueberzeugung entschieden auszusprechen, was mir den beiden Katholiken und der Frau von Savigny gegenüber, die wahrscheinlich lebhaft bearbeitet wird, um sie zum Uebertritt zu bringen, etwas unbequem wird.

18) Samstag ... Ich beschäftige mich heute großentheils mit Lesen. Erstlich hält mich „Luthers Leben“, aus den Quellen erzählt von Moritz Meurer, fest, und dann wende ich mich zur „Nibelungen-Klage“, welche doch noch in diesem Jahr meine künstlerische Thätigkeit in Anspruch nehmen wird. Die flüchtigen Entwürfe, welche noch in München, als ich mit den Nibelungen im besten Zug war, entstanden sind, bleiben ganz in Geltung. Die Auffassung des Gegenstandes ist glücklich und die Motive bieten außerordentlich viel für die malerische Bearbeitung. Der Auszug aus dem Urtext der Klage, den ich auch noch in München machte und der mir einen klaren Ueberblick des Stoffs gewährt, kommt mir ebenfalls sehr zu statten ...

20) Pfingstmontag. Die „Klage“ beschäftiget mich sehr. Der Stoff ist doch herrlich. Ich freue mich sehr auf die Zeit, zu welcher ich die Kompositionen der drei Bilder ernstlich vornehmen kann ...

21) Dienstag ... Gegen 6 Uhr gehen wir ... ins Theater, wo die Hugenotten zur Aufführung kommen. Die Aufführung ist eine vorzügliche. Die La Grua spielt doch ganz anders, viel lebendiger und plastisch anschaulicher als die Ney. Ludwig singt und spielt vortrefflich. Namentlich nach dem vierten Akt ist der Beifall stürmisch. Valentine und Raoul werden viermal hinter einander allein am Schlusse dieses Akts gerufen[3].

Ende.

  1. Neben Edgardo und Florestan in den Opern Troubadour und Fidelio.
  2. In der Oper Lucrezia Borgia.
  3. Die Anmerkung (*) auf S. 184 des vorliegenden Bandes ist dahin zu berichtigen, daß der Roman „Eritis sicut Deus“ wirklich von einer Verfasserin, wie Schnorr in seinem Tagebuche ganz richtig annimmt, nicht von einem Verfasser herrührt. Durch eine dankenswerthe Auskunft der Verlagshandlung habe ich zuverlässig erfahren, daß das Buch von einem Fräulein Auguste Kranz verfaßt wurde, die „vor circa 6 Jahren“ gestorben ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: chöner. Vermutlich Druckfehler, wurde sinngemäß durch „schöner“ ersetzt
  2. Vorlage: etzten. Vermutlich Druckfehler, wurde sinngemäß durch „letzten“ ersetzt
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/225&oldid=- (Version vom 14.9.2024)