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die 2 anderen. Die ohne Zweifel halbrunde Absis mußte einem östlich angebauten längeren, spitzbogig gewölbten Chore Platz machen, in welchen der, in romanischem Styl ausgehauene Altartisch mit schlanken Säulen an den 4 Ecken, ohne Zweifel vom früheren Chore her versetzt wurde.

Mauch setzt die Erbauung dieses zweiten Chores in das 15. Jahrh. Dem widersprechen aber die in den Rosetten der Spitzbogen sichtbare Wappen von Württemberg und Weinsberg, wenn man nicht annimmt, sie seien erst in späterer Zeit eingefügt worden, was unwahrscheinlich ist. Denn im 15. Jahrhundert stand Weinsberg noch nicht unter Württemberg, sondern in dessen zweiter Hälfte unter Churpfalz. Woher sollte da das württembergische Wappen kommen? In der ersten Hälfte aber war Weinsberg noch Reichsstadt und doch hat das Stadtwappen in der Rosette nicht wie früher den halben Adler, sondern nur die Rebe mit Trauben durch beide Felder geschlungen. Weist der fehlende Reichsadler auf die Nach-Reichsstädtische Zeit und das württembergische Wappen auf die württembergische Herrschaft, so kann die Erbauung nur entweder in die Periode von 1512 bis 1520, oder von 1531 und folgende fallen. In letztere Zeit aber fällt die Reformation Weinsbergs, und der Chor ist offenbar für den katholischen Cultus angelegt.

Nach diesem ist wohl anzunehmen – wenn die Rosetten nicht einer späteren Zeit angehören – der neue Chor seie, nach der gräßlichen Zerstörung und Ausbrennung der Kirche im Jahr 1525, bei der Restauration der Kirche angesetzt worden, als man im Jahr 1534 auf Herzog Ulrichs mündliches Wort wieder baute, kurz ehe die Reformation durch den früheren hiesigen evangelischen Prediger, Dr. Erhard Schnepf im Unterlande vorgenommen wurde. Das sogenannte Interim von 1548 wurde ohnehin in Weinsberg, wo damals eine kaiserlich spanische Besatzung lag, strenger als irgendwo durchgeführt und der evangelische Prediger Gailing mußte die Stadt räumen. S. oben S. 124. Der angebaute Chor ist circa 60–80′ lang, gegen 50′ hoch und durch seine 7′ hohe und lange Bogenfenster (3 zu beiden Seiten und 1 doppeltes in der Ostseite) sehr hell; aber wegen seiner Entfernung vom Schiff der Kirche und wegen der verhältnißmäßig zu niedrigen Bögenöffnung im östlichen Fundament des Thurms für den protestantischen Gottesdienst leider! nicht brauchbar. Bemerkenswerth sind im Plafond, wo die Spitzbogen zusammenlaufen, die obgedachten 4 Rosetten, 1) mit dem Haupte Johannis des Täufers, dem wohl früher die ganze Kirche geweiht war, da auch an einer Säule des Schiffes ein altes Gemälde vom Täufer aufgehängt ist, wie er Jesum tauft; 2) mit dem obgedachten württembergischen Wappen; 3) mit dem Weinsberger Stadtwappen, ohne den halben Reichsadler; 4) mit dem Bilde eines Männleins, wahrscheinlich des Erbauers mit einem Steinmetzzeichen. Auf dem Boden des Chors finden sich, außer einigen nicht mehr lesbaren, ausgetretenen, noch die Grabsteine von Obervogt Herkules Felix Bidenbach von Treufels, württemb. Oberst, † 1747; von Joseph Malblank, Superintendent, † 1727; von Conrad Oesterlin, Superintendent, † 1668; von M. Joh. Dav. Hermann, Superintendent, † 1714. Neben dem Hochaltare: von Friedr. v. Gemmingen-Bürg, Kind, mit der Mutter: Anna Rosine v. Gemmingen-Bürg, † 1622. Im Jahr 1691 wurde ein chursächsischer Reiteroberst v. Haugwitz, welcher in Heilbronn starb, hieher gebracht und in diesem Chore beigesetzt.

In der südöstlichen Ecke der gedachten Thurmhalle ist die im Bauernkriege genannte, auf den Thurm hinaufführende verhängnißvolle enge Schneckenstiege, durch welche die Bauern den sich auf den Thurm hinauf flüchtenden Rittern