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Sieht hoch aus goldnen Lüften
die Mutter Gottes lächeln mild;
ein wundersüßes Düften
ringsum das Rebenthal erfüllt.

Des Dankes Thränen floßen
aus Augen klar, nie wieder blind,
auf des Altares Rosen
und die der Luft – auf Mann und Kind.

Und dort, wo sie erschaute
den lichten Stern, am Walde fern,
ein Kloster sie erbaute,
das hieß zum Dank sie: Lichtenstern.

Die Glocken hör’ ich klingen,
hör’ in des Chores Heiligthum
viel zarte Stimmen singen:
„der Mutter Gottes Preis und Ruhm!“

Des innern Schauens Schimmer
ungern aus meiner Seele schwand.
Da lag die Burg in Trümmer
und die Kapelle nicht mehr stand;

Und wehmuthsvoll aus Mauern
klang mir der Aeolsharfe Laut,
als hätt Natur zum Trauern
sich ein Asyl hier aufgebaut.

Ich rief: „o du Kapelle!
zeig mir von Dir noch einen Stein!
Um meiner Augen Helle
soll heiß auf ihm gebetet seyn!

„Und Du, Maria, Reine!
Kommts, daß mein Auge decket Nacht,
hier mir in Lieb erscheine
und zeig mir eines Sternes Pracht!

„Kein Kloster kann ich bauen;
doch, Mutter Gottes! mein Gesang
soll tönen lieben Frauen
zum Preis und Ruhm mein Leben lang!“

J. Kerner’s Ged. 5. Aufl. p. 121.