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Verschiedene: Die zehnte Muse

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Die Lieb’ ist himmlisch, wie ein Bild genau

Vom Himmelsrund in jedem Tröpfchen Tau
Die Rose trägt in ihrem tiefen Schosse.

Die Lieb’ ist süss wie würz’ger Rosenduft,
Der unsichtbar beseelt die warme Luft

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Und trunken macht die honigdurst’gen Bienen.


Doch Lieb’ ist kurz auch wie der Rose Tag,
Der schneller endet als der süsse Schlag
Der Nachtigall, die sie beweint im Grünen.

Wolfgang Menzel.
(1798–1878.)





Der Geliebten.

So wisst einmal, ich bin verliebt,
Und zwar in so ein Kind,
Das mir erst Lust zu leben giebt,
So schwer die Zeiten sind.

5
Sein Kuss ist meiner Seele Kraft

Und hat an süsser Glut
Fast aller Schönen Eigenschaft,
Nur nicht den Wankelmut.

Es schwächt mir weder Geist noch Leib.

10
Was denen sonst geschieht,

Die Amors stiller Zeitvertreib
Am Narrenseile zieht:
Es redet mir in Lust und Leid
So klug als freundlich ein,

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Und lässt mich in der nächsten Zeit

Des Unsterns Meister sein.

Ach Hoffnung! Ach du Engelsbild,
Du meiner Güter Rest!
Ach komm und bleib mein starker Schild,

20
Da alles schlägt und presst!

Komm, flicht uns unsern Hochzeitschmuck
Von deinem Wintergrün!
Der Tod, sonst nichts ist stark genug
Ihn wieder abzuziehn.

Joh. Christian Günther.
(1695–1723.)


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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/98&oldid=- (Version vom 31.7.2018)