Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/91

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse


Ich weiss, –

     Ich weiss, du bist entstiegen
Des Mondes eisigem Pfühl;
Durch deine Adern fliegen
Und wiegen

5
Lichtwellen bleich und kühl.


     Ich habe mit dir Erbarmen,
Erbarmen auch mit mir.
Du wirst in meinen Armen
Erwarmen, –

10
Ich werde kalt bei dir.
Felix Dörmann.





Kusslied.
(Erneuert.)

Nirgends hin als auf den Mund:
Da sinkt’s in des Herzens Grund;
Nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
Nicht mit allzu trägen Zungen.

5
Nicht zu wenig, nicht zu viel:

Beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise:
Nur im Mass ist rechte Weise.

Nicht zu hart und nicht zu weich,

10
Bald zugleich, bald nicht zugleich.

Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
Nicht stets auf die gleiche Stelle.

Halb gebissen, halb gehaucht,
Halb die Lippen eingetaucht,

15
Nicht ohn’ Unterschied der Zeiten,

Mehr allein denn vor den Leuten.

Küsse nun ein Jedermann,
Wie er weiss, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,

20
Wie wir uns recht sollen küssen.
Paul Fleming.
(1609–1640.)


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)