Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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»Und zu mir kommt gar keine Sonne herein.«
»Nun,« meint sie mit einem fröhlichen Nicken,
»Ich werd’ etwas Sonne hinunterschicken.«
»Nein, i bewahre!« Und im Lauf
Rennt sie die vier Treppen hinauf. – – –
Doch seltsame Dinge geschehen im Mai,
Am selben Abend, der Mond schien herein,
Meine Nachbarin.
Meine Nachbarin ist lange blind
Und hat nicht lang zu leben;
Ihre Tochter trägt ein ledig Kind,
Weiss nicht, wem Schuld zu geben.
Und schimpft sich um die Wette;
Für Scheltwort Scheltwort, Schlag für Schlag –
Die reine Bettlermette.
Dazwischen wächst ein junges Blüh’n –
Die Wangen rot, die Lippen glüh’n,
Die dunkeln Augen gleissen.
Noch fliesst ein Strahl des reinen Lichts
Um ihre helle Stirne –
Und lacht schon wie die Dirne …
Die Aehren.
Der Abend war selbst wie ein Wunder der Liebe.
Sie gingen umschlungen und stumm vor Liebe
Aus den Feldern dem träumenden Dorfe zu.
Sie lehnte sich wärmer an ihn. Sie sagte
»Im Korn, das war doch eine Sünde, du!«
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/46&oldid=- (Version vom 31.7.2018)