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Verschiedene: Die zehnte Muse

Was meint ihr? soll ich namentlich sie nennen? –
     Ich sollt’ es freilich wohl – doch wisst – –
Allein warum nicht? – Gut, ihr sollt sie kennen! –
     Vielleicht bringt dies zu ihrer Pflicht

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Sie noch zurück[WS 1] – so leid mir’s thut, sie zu beschämen.

     Es ist – doch – ohne Makel könnt’ ich nicht
Den Namen nur auf meine Zunge nehmen! –
     Ich will sie drum auf andre Art der Welt

Kundmachen und an ihr das Strafamt schärfen.

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     Dort sitzt sie! – Wie sie sich nicht stellt! –

Jetzt werd’ ich mein Gebetbuch nach ihr werfen! –
     Gebt acht! – Gebt acht! auf wen es fällt!« – –

Indem er nun empor mit seinem Buche fuhr,
     War jede bange vor dem Falle,

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Und jede bückte sich. –

 »Verborbene Natur! –
Ich dacht’, es wäre eine nur –
     Nun seh’ ich wohl – sie sind es alle!«


L. F. G. von Göckingk.
(1748–1828.)




Der schiefe Turm von Terlan.
(Tiroler Volkssage.)

Der alte Kirchturm von Terlan
Kunnt’ nimmermehr gerade stahn,
Drum ward er abgetragen.
Und wenn ihr wissen wollt, warum?

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Wie ward er schief, wie ward er krumm?

So hört, ich will’s euch sagen:

     Lang’ stand er kerzengrad’ in Ruh’,
Und was sich trug im Dorfe zu
Erzählten ihm die Spatzen:

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Von einem dies, vom andern das,

Sie wussten ja von jedem was
Zu klatschen und zu schwatzen.

     Nur einmal gab es eine Maid,
Die ringsherum und weit und breit

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Das schönste Kind gegolten,

Und was das grösste Wunder war,
Sie zählte nun schon zwanzig Jahr
Und galt für unbescholten!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zürück
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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/346&oldid=- (Version vom 1.3.2018)