Verschiedene: Die zehnte Muse | |
|
Der Nachtigallen Schlagen
Tönt durch den stillen Park –
»Dann – leih’ mir hundert Mark!«
Sie springt in jähem Grimme
Von ihrem Sitz empor
Und spricht mit heis’rer Stimme:
Er drauf: »Warum denn grollen,
Mein Lieb, was fällt dir ein?
Sieh dort den Mond, den vollen,
Mit seinem Silberschein,
Ins leuchtende Gesicht? …
Auch er hat seine Sonne
Und – pumpt von ihr sein Licht!«
Die Predigt am Magdalenentage.
Ein Priester predigte am Tage Magdalenen
Vom Greuel ihrer ersten Lebensart;
Doch ward nachher das Lob der Schönen
Ob ihrer Reu’ und Busse nicht gespart –
Die vor ihm sassen, eifernd fort:
»Wie viel sind unter euch, die mehr zu diesem Ort
Sich zu belustigen, als zu belehren kamen! –
Absonderlich ist eine unter euch,
An Leichtsinn und an losen Sitten
Bleibt sie vielmehr sich immer gleich! – –
Wie heilig hat sie alle Jahr’
Im Beichtstuhl Besserung versprochen –
Stets dies Gelübd’ gebrochen? –
Und da sie ihre Frechheit immerdar
Noch gar vermehrt – wer kann’s verwehren,
Wenn wir sie öffentlich beschwören? –
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/345&oldid=- (Version vom 31.7.2018)