Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Begrabt mich lebend, schliesst mich ein,
So ıst doch eine Zelle mein!
So will ich grübeln in enger Haft,
In Bibel und Gesangbuch still
Sonntags ich buchstabieren will
Und warten, ob mirs wiederfährt,
Dass Einer kommt, der mich bekehrt!
Die böse Grethe.
Der Vater tot, die Mutter tot –
Wer hilft mir in der Not?
Nicht eine Seele kennt mich noch –
Und leben muss ich doch!
Wer giebt mir ’was dafür?
»Arbeite!« der Herr Pfarrer spricht;
Doch Arbeit giebt es nicht.
Ich bin gegangen Tag um Tag:
Die fleissigen Hände hier –
Wer giebt mir ’was dafür?
Ich hab’ die ganze letzte Nacht
Gebetet und gewacht.
Ich wollt’, ich stürbe bald.
Denn so … wem liegt an mir?
Wer giebt mir ’was dafür?
Nun sitz ich da so still und stumm –
Das Restchen Kerze flackert sehr –
Ich hab’ kein and’res mehr …
Thu ich’s, so thu ich’s mir –
Wer giebt mir ’was dafür?
Er holt mich ab zum Tanz.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/284&oldid=- (Version vom 31.7.2018)