Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/261

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse

Und durch die Lücken schwärmten Fliegen

30
In Hülle und in Fülle ein,

Die Spinnen sagten: Gottes Güte
Regierte sichtbarlich den Stein!

Sie falteten die Vorderbeine
Und dankten ihm, der alle nährt,

35
Und haben dann mit frommen Sinnen

Die Fliegen reinlich aufgezehrt.

Doch meinte deren Schwarm hinwieder –
Der rings bestrickt vom Tod sich fand –
Die Scheiben habe ausgebrochen

40
Der Satan mit selbsteigner Hand.


Entging den grimmen Stricken eine,
Durch Gottes Huld hielt sie sich frei,
Und ward sie dennoch aufgefressen,
So meint’ sie, dass es Prüfung sei.

45
Das gilt von Fliegen und von Spinnen,

Die an Vernunft nicht überreich;
Doch sind wir klugen Menschen ihnen,
Gottlob, in keinem Punkte gleich.


Ludwig Anzengruber.




Das Infusorium.

War einst ein Infusorium –
Es war das grösste um und um
In seinem Wassertropfen,
Es sass und dacht’: »Wer gleichet mir?

5
Was bin ich für ein riesig Tier!

Ich bin so gross! – soweit man sicht,
Erschaut man meinesgleichen nicht!«

     Kam eine Maus an diesen Ort –
Die hatte Durst und trank sofort

10
Den ganzen Wassertropfen

Mit samt den Infusorien all –
Fünfhundertausend auf einmal.
Gar mancher Mensch ist solch ein Thor
Wie dieses brave Infusor!


Heinrich Seidel.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)