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Verschiedene: Die zehnte Muse

Der Kater läuft dem Winde zu

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Und wirft sich ihm zu Füssen:

Der Stärkste auf der Welt bist du,
Lass mich als Knecht dich grüssen. –
Der Stärkste ich? In meinem Lauf
Hält mich die kleinste Mauer auf

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Und bricht mir meine Flügel.


Der Kater preist die Mauerkron’
Nun Königin der Stärke;
Die Mauer aber zürnt: Mein Sohn,
Du spottest, wie ich merke –

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Ist stärker doch als ich die Maus,

Die nagt mich an und höhlt mich aus,
Bis ich zusammenbreche.

Der Kater sucht nun auf die Maus
Und spricht vor ihrer Höhle:

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Du bist die Grösste – komm’ heraus,

Das ich mich dir vermähle.
Das Mäuschen steht ganz zitternd da:
Mein Gott, ich bin das Kleinste ja,
Das Grösste bist du selber.

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Der Kater kehrt nun schnell zurück

Zu seinem kleinen Kreise –
Die Gattin fragt: Hast du das Glück
Gefunden auf der Reise?
Jawohl, spricht er, ’s ist alles Trug,

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Ein jeder sei sich selbst genug,

Und jeder ist der Grösste.


Herm. v. Gilm.




Halensee.

Dieweil der Mai zu blühn begann,
Verschloss ein junger Malersmann
Am Nachmittag sein Atelier
Und fuhr hinaus nach Halensee.

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Die Frühlingsluft schwellt seine Lungen,

Er hat ein frohes Lied gesungen,
Durchgondelte die klaren Wogen
Des Sees, auf dem die Schwäne zogen,
Und als um Sonnenuntergang

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Ihm Tanzmusik entgegen klang,

Da ging – das tun wir Alle mal –
Der Maler in ein Tanzlokal.

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Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/258&oldid=- (Version vom 31.7.2018)