Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Die trägt mich noch empor auf Geistesflügen
In Sonnennäh’n,
Niemals gesehn!
In meinem Auge flammt des Lichts ein Funken,
Das dort ich trank;
Ich hab der Sonne Licht und Luft getrunken,
Da blinzelten die Eulen eine Stunde
Ihm hinter her,
Da flatterten die Krähen in der Runde
Und krächzten sehr. –
Die Fledermaus.
Die Fledermaus rief: O Wiesel!
Vor Aengsten ergreift mich ein Friesel.
Dein bin ich kein würdiger Schmaus,
Ich bin ja nicht Vogel, nur – Maus.
Die Mausart, wahrlich, ist neu;
Doch hab’ ich kein Herz von Kiesel!
Und liess die Fledermaus frei.
Die Fledermaus rief: O Schuhu,
Dein bin ich kein würdiger Schmaus,
Ich bin ja ein Vogel, nicht Maus.
Ei, sprach der Tyrann der Mäuse,
Die Vogelart ist mir neu;
Und liess die Fledermaus frei.
Die Fledermaus rief: O Katze!
Lass ab von mir seltenstem Schatze,
Dem Adler dien’ ich zum Schmaus:
Nein, Prahler, du sollst mir verderben,
Nicht umsonst hab’ ich dich erzielt!
Auch möge jeder so sterben,
Der zweierlei Rollen spielt!
(1769–1829.)
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/256&oldid=- (Version vom 31.7.2018)