Verschiedene: Die zehnte Muse | |
|
Doch halt!« – Sein kluges Aeuglein blitzt,
Er hat sein Schnäblein flink gespitzt.
Begierig hat er sie verspeist
Und piept: »Wer hätte das gedacht:
Dass der auch Jagd auf Motten macht.« –
Der kranke Löwe.
Es lag der gnädige Löwe krank.
In seiner Höhle war grosser Stank.
Sich zu zerstreu’n liess seine Gnaden
Die Tiere zum Besuche laden.
An den Esel, den Bock und Fuchsen dabei;
Die hätten sich gern der Ehr’ enthoben,
So ward der Esel vorgeschoben,
Der zitternd trat in die Höhle ein. –
Der spricht, indem die heisse Gier
Aus seinen Feueraugen blinkt:
»Freund Baldwyn, sag’, wie riecht es hier?« –
»Herr König«, schnuppert der Esel, »es stinkt!«
Ward für sein keckes Wort zerrissen. –
Kam drauf der Bock gehüpft, vor Graus
Stehn ihm die Augen beim Kopf heraus.
»Mein Böcklein, sprich, wie riecht es dir?« –
Der Schmeichler war nichts Besseres wert:
Ihm ward sein Inn’res herausgekehrt. –
Nun kam der Fuchs auf leisen Sohlen,
Was wird Herr Reineke sich holen?
Sprich doch, wie riecht’s in meiner Höhle?«
Der Reinhard niest: »Ich kann’s nicht sagen,
Mich thut ein arger Schnupfen plagen.«
Der König schweigt, beisst in die Lippe
»Da nimm und iss, du kluger Mann,
Ich seh’s, du bist kein heuriger Hase;
Wer den Geruch verleugnen kann,
Der hat die allerfeinste Nase.«
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/244&oldid=- (Version vom 31.7.2018)